127/2014 Die vier Säulen der Beeinflussung (Teil 2, Scham)

Liebe Leserin und lieber Leser,

wir wünschen Ihnen eine gewaltfreie Woche.

Herzliche Grüße aus Jena und Bielefeld
Anja Palitza & Olaf Hartke

Thema: Die vier Säulen der Beeinflussung (Teil 2, Scham)

 Zitat: „Wenn jemand von Euren Mitmenschen Scham fühlt, dann lasst Euch davon anstecken.“ (Liv Larsson in einem Seminar über Wut, Schuld Scham)

 Beispiel: Der Trainer einer Jugend-Fußballmannschaft gibt nach Ablauf des Wettkampfes seinen etwa achtjährigen Jungs Feedback zu deren Spieleinsatz. Martin, eines der Kinder bekommt folgende Rückmeldung: „So wie Du auf dem Feld rumstehst wird Du nie ein Tor erzielen. Du spielst ja wie ein Mädchen. Wie soll da der Gegner Angst vor Dir haben.“ Der Junge der seinen Trainer erst angesehen hatte, schaut schnell zu Boden und wird rot im Gesicht. Dann fallen ein paar Tränen auf den Boden. Der Trainer sieht es und sagt: „Siehst Du? Genau das meine ich. Jetzt heulst Du auch noch wie Mädchen hier rum. Du musst einfach mehr Biss zeigen.“

Information: Menschen nutzen nach dem Modell der Gewaltfreien Kommunikation vier Möglichkeiten, um andere zu etwas zu bringen, was diese eigentlich nicht tun wollen. Damit sie es doch tun, setzen manche Menschen das Konzept von a) Strafe, b) Scham, c) Schuld und d) Belohnung ein.

Scham ist ein ganz natürliches und wichtiges Empfinden. Evolutionsbiologisch ist es dafür zuständig, uns darauf aufmerksam zu machen, wenn wir zu einer Gemeinschaft von Menschen gerade nicht den gewünschten Beitrag leisten. In Zeiten, in denen auch das Beitragen von Einzelnen für die Gruppe existenziell wichtig war, zeigte Scham hilfreich an, wenn man zu wenig Engagement für die Gruppe aufbrachte und in Gefahr lief, die Anerkennung der Gruppenmitglieder zu verlieren oder sogar aus der Gruppe ausgestoßen zu werden.

Das Aushalten von Scham ist für viele Menschen nicht besonders leicht. Schnell wollen diese Menschen das Gefühl hinter sich lassen und suchen nach Strategien, der Scham zu entgehen. Gleichzeitig nehmen sie sich damit die Möglichkeit, genauer zu erspüren und zu ergründen, worauf die Scham hinweisen möchte. Sich zu schämen zeigt an, dass es um Bedürfnisse geht, die die Gemeinschaft betreffen. Das können Bedürfnisse sein wie: in Verbindung bleiben, Kontakt, Zugehörigkeit, Anerkennung, Fürsorge, Beitragen oder vielleicht auch das Vertrauen geliebt zu sein. Die Scham oder auch Peinlichkeit ist ganz bedeutsam, weil sie die Menschen aufmerksam werden lässt auf die Qualität des Miteinanders und das, was wir in der Gemeinschaft leben wollen.

Seitdem die Strategie der Beschämung bewusst manipulativ eingesetzt wird, um andere Menschen in eine bestimmte Richtung zu drängen, sind Menschen immer weniger bereit sich diesem Gefühl anzuvertrauen. Sie lehnen das Gefühl als etwas Negatives ab. Sie verändern zwar um der Scham zu entgehen häufig ihr Verhalten, bekommen jedoch dadurch keinen Zugang zu den zugrundeliegenden Bedürfnissen hinter dem Verhalten.

Zum „Sofort-Üben“: Auf welche Bedürfnisse macht die Scham beim Jungen aufmerksam? Zu welchem Gruppenbedürfnis will der Trainer beitragen? Welche Bedürfnisse hat der Junge sich mit seinem Verhalten auf dem Spielfeld versucht zu erfüllen? (Unser Vorschlag steht am Ende der Mail.)

Wochenaufgabe: Das Gefühl der Scham ist in vielen Momenten schnell beiseite gedrängt. Geben Sie sich diese Woche einmal die Erlaubnis, wenn Sie Ihre Scham einmal spüren, diese da sein zu lassen. Wo spüren Sie sie? Auf welches Bedürfnis will Sie die Scham vielleicht hinweisen?

Herausgeber: Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
© Copyright Anja Palitza und Olaf Hartke
Unser Vorschlag: Martin hat durch sein Verhalten auf dem Spielfeld (Trainerinterpretation: „Du spielst wie ein Mädchen.“) gezeigt, dass er eventuell noch nicht die nötige Klarheit und Orientierung hat, zu wissen, wohin er spielstrategisch sinnvollerweise laufen sollte. Es scheint Martin (nachvollziehbar) peinlich zu sein, vom Trainer und vor der Mannschaft auf diese Weise eine Rückmeldung dazu zu bekommen. Er möchte womöglich dazugehören, anerkannt sein und er ist vielleicht traurig, da er in seinem Beitrag und seinem Engagement gesehen werden möchte. Der Trainer möchte möglicherweise dazu beitragen, dass der Junge erkennt, wie er zum Mannschaftsergebnis beitragen kann. Ihm liegt am Herzen, dass die Jungen sich gegenseitig unterstützen lernen und alles für ein Ziel geben lernen. Vielleicht sieht er darin seinen Sinn als Trainer.

 

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