Liebe Leserinnen, liebe Leser,
immer wieder bekommen wir Fragen hinsichtlich Gewaltfreier Kommunikation am Arbeitsplatz gestellt. Zum Beispiel: „Die Gewaltfreie Kommunikation ist wirklich sinnvoll, aber geht das überhaupt am Arbeitsplatz? Wie kann es dort umgesetzt werden?“
Oder: „Wie kann ich Themen so ansprechen, dass ich dabei nicht komisch wirke?“
Im Folgenden finden Sie dazu ein Beispiel aus einem Führungskräfte-Coaching.
Herzliche Grüße von uns beiden aus Jena und Bielefeld
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz – das geht nicht so gut!
Zitat: „Die Qualität einer Organisation kann niemals die Qualität der Geister übertreffen, die sie schufen.“ (Harold M. McAlindon)
Beispiel: Teamleiterin Karin ist frustriert. Die in den vergangenen Teamberatungen festgelegten Aufgaben sah sie wiederholt als nicht umgesetzt. Ihre Einschätzung dazu lautete: „Aufgrund von persönlichem Unmut einer Kollegin wird die Erledigung von Aufgaben von dieser boykottiert.“
Dabei hatte sie doch ihrer Ansicht nach klar zum Ausdruck gebracht, dass der Arbeitsplatz kein Austragungsort für private Unstimmigkeiten sei. Sie hatte die Mitarbeiterin gebeten, ihre Probleme außerhalb der Arbeit zu klären und stattdessen die Aufgaben im Team konsequent umzusetzen.
Nachdem sie keine Veränderung feststellen konnte, hatte sie ihren Unmut darüber an die Leitung herangetragen. Sie bekam in diesem Gespräch die Information, dass es zu den Aufgaben einer Teamleitung gehört, die Probleme mit dieser Kollegin zu verhindern und die Erledigungen von Aufgaben im Team sicherzustellen.
Nach dem Gespräch war sie genauso ratlos wie zuvor. Sie dachte: „Ich bin überhaupt nicht verstanden wurden. Und wenn ich selbst etwas verändern könnte, dann würde ich es doch auch umsetzen. Was soll das Ganze also?“
Information: In vielen Organisationen und Unternehmen ist der größte Fokus auf die Produktivität ausgerichtet. Es geht um die Erledigungen von Aufgaben und um Ergebnisse. Gefühle und Bedürfnisse der Mitarbeiter werden da eher als hinderlich angesehen. Für viele Menschen ist aus diesem Grund auch der Arbeitsplatz eine von ihrem „tatsächlichen“ Leben getrennt Welt. Sie nehmen eine andere Rolle ein und ordnen sich den dortigen Spielregeln unter.
Ohne bestimmte, klar definierte und notwendige Ergebnisse zu erreichen, wird ein Unternehmen auch unseres Erachtens irgendwann untergehen. Doch wir sind aus Erfahrung überzeugt, dass ein Teamergebnis immer auch mit der Kooperationsfähigkeit der beteiligten Menschen zu tun hat. Diese Fähigkeit weiterzuentwickeln ist Aufgabe der Führungskräfte.
Kimball Fisher, Mitbegründer der Fisher-Groups und Konferenzredner zum Thema „Team, Führung und Organisationsdesign“, sieht dies ähnlich und beschreibt drei wesentliche Aufgaben von Teamleitern:
- Sorgen für gegenseitigen Respekt zwischen Arbeitnehmern und Führungskräften.
- Sicherstellen von Arbeitsergebnissen.
- Übernehmen der Führungsrolle bei der Lösung von Problemen.
Die Arbeit des Teamleiters umfasst demnach also Aufgaben, die
a) die Arbeit selbst betreffen (Fachlichkeit) und genauso
b) die Aufgaben, die der Erschaffung und permanenten Verbesserung von Rahmenbedingungen dienen, die einen Einfluss auf die Qualität des Miteinanders in der Gruppe haben („Menschlichkeit“).
Jedes Team besteht aus Menschen, die sich auch in ihrer Gesamtheit als Mensch einbringen. Es bedarf bei Führungskräften eines umfassenden Blicks auf das Miteinander und eben auch die Fähigkeit, die Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen und zu optimieren. Und auch dabei gilt: „Knowing is not enough, we must apply. Willing is not enough, we must do.” (Bruce Lee. (Wissen ist nicht genug, wir müssen anwenden. Wollen ist nicht genug, wir müssen tun.)
(Anmerkung zur Übersetzung siehe unten.)
Diese „Umsetzungslücke“ (GFK kennen/können und gleichzeitig nicht anwenden) nehmen wir gerade im beruflichen Kontext häufig wahr. Doch die Gewaltfreie Kommunikation unterstützt nach unseren Erfahrungen enorm bei der Umsetzung von Führungsaufgaben. Sie trägt gerade durch die Fokussierung auf Beobachtung, Gefühle Bedürfnisse und Bitte wesentlich zu Klarheit und Effektivität bei. Wird sie nach einer gewissen Übungszeit als Haltung – nicht nur als Methode – angewendet, trägt sie sehr häufig dazu bei, dass ein Raum für Verständnis und gegenseitige Wertschätzung entsteht. Und das ist eine der wichtigen Grundlagen für das, was alle Führungskräfte doch immer haben wollen und sogar verlangen: „motivierte“ Mitarbeiter.
Zum „Sofort-Üben“: Welche kleinen Schritte könnte Karin einleiten, um ihrer Teamleiter-Rolle gerecht zu werden?(Unseren Vorschlag dazu finden Sie am Ende des Coachingbriefes)
Wochenaufgabe: Einige Menschen haben die Sorge, dass sie sich mit der Anwendung der Gewaltfreien Kommunikation am Arbeitsplatz verletzlich machen und ihr Ansehen oder den Respekt der Kollegen verlieren. Wenn Sie Bedenken diesbezüglich haben, dann nutzen Sie doch den Arbeitsplatz als Trainingsstätte für Selbstempathie. Legen Sie sich einen kleinen Notizblock zu, in dem Sie sich immer wieder (auch in „langwierigen“ und „zähen“ Meetings) vergegenwärtigen: Was beobachte ich gerade? Wie geht es mir damit? Was brauche ich gerade? Und welche Bitte habe ich jetzt an mich oder andere und könnte diese Bitte auch andere unterstützen?). Dieses stille Üben hilft Ihnen, dass Sie sich klarer werden, Ärger und Frust umwandeln und sich der eigenen Veränderungsmöglichkeiten bewusster werden. Probieren Sie dies noch heute aus und tragen Sie dadurch dazu bei, dass zumindest erstmal „Ihr Geist“ als Vorläufer einer neuen Geisteshaltung in Ihrem Unternehmen Einzug hält.
Aktuelles: Die nächsten Termine:
Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation am 26./27. Mai 2018 in Jena.
Übungs- und Vertiefungsseminar am 1./2. September 2018 in Jena.
Die beiden Bildungsurlaube auf den Nordseeinseln Spiekeroog und Baltrum sind bereits ausgebucht. Für 2019 werden schon die nächsten Termine geplant.
Alle Termine und weitere Informationen finden Sie hier: www.ab-ins-kloster.de
Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
© Copyright Anja Palitza, Olaf Hartke
Unser Vorschlag: Nächste kleine Schritte von Karin könnten sein:
Eine eigene innere Klärung herbeizuführen, indem sie sich fragt:
- Was tut Kollegin X genau, was ich selber als Boykott interpretiere? (Die Aufgabe ist auch nach einer Anweisung von mir nicht umgesetzt.)
- Wie geht es mir damit? (Ich bin frustriert und ratlos.)
- Was brauche ich? (Klarheit, woran es liegt. Mitwirkungsbereitschaft, da wir sonst unserem Auftrag nicht gerecht werden können. Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung, um die anfallende Arbeit bewältigen zu können.)
- Was kann ich für meine Bedürfnisse tun? (Mitarbeiterin X fragen, welche Gründe sie hat, dass sie die Aufgabe nicht umgesetzt hat. Ihr darlegen, wie es mir geht und was mir im Team wichtig ist. Sie fragen, was sie aus ihrer Sicht braucht, damit sie es umsetzen kann. Gemeinsames Überlegen und Festlegen von Schritten, wie die Kollegin X in Zukunft mit dieser Situation umgehen kann, so dass sie die Umsetzung von Aufgaben gewährleisten kann. Gespräche mit meinen Vorgesetzten, dass ich Unterstützung brauche für die Situation und was ich mir konkret von Ihnen wünsche (Coaching im Bereich Mitarbeiterführung und Gewaltfreie Kommunikation zum Beispiel 😉
Im Anschluss geht es darum, die Bitten an sich selbst auch ernst zu nehmen und umzusetzen. Wieder getreu dem obigen Bruce-Lee-Zitat 😉
Anmerkung zur Übersetzung des Bruce-Lee-Zitates:
Aufmerksame und intensiv GFK-Übende mailen uns manchmal Fragen wie diese: „Weshalb nutzt Ihr als GFK-Trainer ein Zitat, in denen ein „Müssen“ verlangt wird? Gerade Marshall Rosenberg hat doch immer wieder das Thema „Müssen gibt es nicht…“ angeregt diskutiert. Wisst Ihr doch bestimmt auch, oder?“
Ja, wissen wir. Die englische Sprache ist häufig differenzierter als die deutsche Sprache. Das englische „he/she/it/we/you/they must…“ wird oft genauso wie „he/she/it has to… – we/you/they have to…” übersetzt in das Deutsche “er/sie/es muss… wir/ihr/sie müssen…“.
Im Englischen drückt das „must“ jedoch eher ein „intensives Wollen“ des Sprechers aus und das „has/have to“ hingegen die der deutschen Übersetzung eher entsprechende „Verpflichtung“.
(Könnte Inhalt eines ganzen Coachingbriefs werden, merken wir gerade…)