356/2018 Wie man sich Aufmerksamkeit und Gehör in Gruppen verschafft

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

dieser Coachingbrief knüpft an das Beispiel der letzten Woche an. Diesen finden Sie in unserem Blog unter:
https://gewaltfrei.blog/2018/09/10/355-wenn-kinder-und-jugendbetreuer-sich-gegenseitig-nicht-hoeren/

Darin ging es um „laute Kinder und unfähige Betreuer“. Und wer das Modell der Gewaltfreien Kommunikation bereits kennt, der weiß, dass es in der „Giraffenwelt“ beides nicht gibt.

Sowohl Kinder als auch die Betreuer versuchen sich mit ihrem jeweiligen Handeln und auch mit ihrem „Nicht-Handeln“ lediglich ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Beendet haben wir den vorausgegangen Coachingbrief mit einem „Cliffhänger“, wie eine Leserin anmerkte. Und diesen Spannungsbogen wollen wir nun mit diesem Coachingbrief auflösen.

Herzliche Grüße aus Jena und Bielefeld

Anja Palitza & Olaf Hartke

 

Thema: Wie man sich Aufmerksamkeit und Gehör in Gruppen verschafft

Zitat: Die Zitate der letzten Woche passen zur Fortsetzung ebenso:

„Eltern sind Vorbilder für ihre Kinder, denn von ihnen lernen sie, ihr inneres Licht zu finden und für andere einzusetzen.“ (Peter Lauster)

„Es gibt kein problematisches Kind. Es gibt nur problematische Eltern.“ (Alexander Sutherland Neill)

„Es gibt weder problematische Kinder, noch problematische Eltern. Es gibt allerdings kleine und große Menschen, die manchmal noch sehr angestrengt Möglichkeiten suchen, das gemeinsame Miteinander so zu gestalten, dass sich alle Beteiligten damit wohl fühlen.“ (Anja Palitza und Olaf Hartke)

Beispiel: Siehe Coachingbrief der letzten Woche:
https://gewaltfrei.blog/2018/09/10/355-wenn-kinder-und-jugendbetreuer-sich-gegenseitig-nicht-hoeren/

Dazu lautete die Wochenaufgabe: Wie würden Sie die Jugendbetreuer ansprechen und ggf. auf hilfreiche Elemente aus der Gewaltfreien Kommunikation aufmerksam machen?

Information: Egal, was Menschen tun – sie sind dabei bemüht, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn Betreuer von Jugendgruppen mit lauter Stimme versuchen, sich bei Kindern Gehör zu verschaffen und Kinder dann umso lauter werden, wenn sie ihr Spiel und ihre Gespräche fortsetzen, dann ist daran nichts Falsches oder Schlechtes. Mit dieser Haltung bin ich (Olaf) in das Gespräch gegangen und habe gegenüber den Betreuern eine empathische Vermutung geäußert, die sie mit einem Nicken bestätigten.

Die Betreuer möchten zu einem reibungslosen Ablauf beitragen, indem sie die Kinder informieren und ihnen den Plan der nächsten Stunden mitteilen. Sie wollen dadurch eine zeitliche Ordnung schaffen; der gemeinsamen Zeit eine Struktur geben und vorgesehene Pläne erfüllen.

Ich äußerte meine Vermutung, dass die Kinder generell nichts dagegen haben. Wahrscheinlich teilen sie sogar den Wunsch nach Orientierung und Struktur. Doch gleichzeitig möchten sie weiterhin Freude, Spaß, Spiel, Unterhaltung…

Wie sich im Gespräch herausstellte, haben die Jugendbetreuer dagegen nichts einzuwenden. Sie sehen die Bedürfnisse auf beiden Seiten und sind jedoch ratlos, wie eine hilfreiche Strategie dazu aussehen kann. Beide Bedürfnisse sind an sich OK, doch die jeweiligen Handlungen (Strategien) beeinträchtigen die Bedürfniserfüllung der jeweils anderen Gruppe. An der Stelle waren die Jugendbetreuer neugierig zu erfahren, wie man es noch versuchen könnte.

Denn zu sprechen während andere sprechen und dabei die eigene Lautstärke zu erhöhen, in der Hoffnung, die anderen werden dann schon leiser werden, führt nicht immer zum Ziel. Häufig werden die anderen dadurch ebenfalls lauter, damit sie sich noch verstehen.

Wer vor einer Gruppe sprechen möchte, in einer Lautstärke, die angenehm anzuwenden ist und die ausreicht, dass alle Anwesenden mithören können, der braucht die Aufmerksamkeit der Gruppe. Die Bereitschaft jedes Einzelnen, jetzt nicht zu senden, sondern stattdessen auf Empfang zu schalten. Unter Trainern heißt dies auch, „sich die Bühne zu holen.“ Und dazu gehört auch, die Aufmerksamkeit auf sich fokussiert halten zu können, bis das eigene Anliegen erledigt ist.

Was können die Betreuer in der beschriebenen Situation also tun?

Schritt 1: Kurzfristige erste Aufmerksamkeit

Das kann gelingen durch laute Rufe in die Gruppe hinein:

„Hallo, stoppt mal. Bitte mal still sein. – Hallo, Ruhe bitte.“

Zwei bis dreimal wiederholt wirkt das meistens und alle sind still. Wichtig ist dabei, wirklich einen Moment der Stille abzuwarten und nicht zu früh mit den eigentlichen Botschaften anzusetzen. Es ist auch wichtig, dass in diesem Moment alle still sind und keiner mehr spricht. Sollte noch jemand sprechen, kann man diese Person gezielt ansprechen und um Stille bitten.

Schritt 2: Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicherstellen

Manchmal setzen Einzelne ihre Gespräche fort oder beginnen nach kurzer Zeit erneut damit. Dies ist ein entscheidender Moment und in ihm werden die Weichen für die Fortsetzung gestellt. Lässt der Betreuer bei einzelnen Anwesenden weiteres Senden zu, bemerken das weitere und beginnend mit einem Gemurmel, ist unter Umständen schnell wieder der alte Zustand zurück. Wichtig ist also, alle „auf Empfang“ zu bekommen und zu halten.

„Kevin, kannst Du auch bitte für einen Moment still sein? – Danke.“

Dann nochmal – kurz die Stille wirken lassen und Blickkontakt zur Gruppe halten.

Schritt 3: Danken für die Aufmerksamkeit und prüfen, ob sie bleibt

„Danke Euch für die Stille.“

Oder: „Danke, so können mich alle hören.“

Danach wieder einen Moment der Stille, um zu prüfen, ob die Aufmerksamkeit bleibt.
Falls nicht, Schritt 2 wiederholen. Die Gruppe erfährt auf diese Weise, dass Sie beharrlich bleiben.

Schritt 4: Für das nun Folgende Interesse wecken

In der jetzt eingetretenen Stille ist die wichtigste Information für die Zuhörer, weshalb es für sie sinnvoll sein könnte, die Aufmerksamkeit und Stille noch weiter zu halten. Oder – nach unserem Modell: Die Anwesenden erhalten jetzt eine Idee, welche Bedürfnisse es ihnen erfüllen könnte, wenn sie jetzt weiter zuhören.

„Damit wir die gemeinsame Zeit möglichst sinnvoll nutzen und Ihr so schnell wie möglich wieder spielen könnt, möchte ich Euch ein paar Dinge mitteilen und ich möchte, dass Ihr mir dabei gut zuhört. Ist das OK?“

Schritt 5: Commitment erhalten

Commitment – hier im Sinne von „Einverständnis gezeigt bekommen“ – ist wichtig. Wer sich für eine Sache „commitet“, bleibt mit höherer Wahrscheinlichkeit dabei, als jemand, der gerade mit innerem Widerstand das Gewünschte beiträgt.

Auf die obige Frage „Ist das OK?“ sollten also einige aus der Gruppe erkennbar nicken oder anders bejahend antworten. Das hat auch eine Wirkung auf diejenigen, die noch nicht ganz überzeugt sind, dass sie jetzt still sein möchten. Unsere Annahme an dieser Stelle ist, dass die Zugehörigkeit zur Gruppe gewahrt werden möchte und man sich für ein gruppenkonformes Verhalten entscheidet.

Es gibt auch Menschen, die gerade das Gegenteil möchten – dann wieder zurück zu Schritt 2.

Schritt 6: Den Rahmen verdeutlichen

Hilfreich für die Zuhörenden ist es, jetzt zu erfahren, was sie hören werden und wie lange das dauern wird.

„Ich möchte Euch jetzt mitteilen, wie wir den Abreisetag gestalten. Welche Aufgaben wir hier noch haben, welche Programmteile heute noch kommen und auch, wann Ihr noch Zeit zur freien Verfügung habt. Dafür werde ich etwa 5 Minuten Zeit brauchen; bitte hört mir zu, bis ich fertig bin.“

Schritt 7: Die Informationen vortragen

Dann sollte die Bühne bereit sein und die Anwesenden werden mit hoher Wahrscheinlichkeit aufmerksam bleiben. Bei Bedarf immer wieder Schritt 2 nutzen und Einzelne um Stille bitten, sonst steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Gruppenmitglieder erneut Gespräche beginnen.

Wochenaufgabe: Wenn Sie Gelegenheit haben, probieren Sie in dieser Woche einmal die 7 Schritte aus und achten Sie auf die Ergebnisse damit.

Aktuelles: Wenn Sie aus alten behindernden Handlungsmustern aussteigen möchte, dann kommen Sie zu unserem Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation vom 19.-21. Oktober 2018 in Berlin. Beginnen Sie bewusster zu leben und lernen Sie, wie Sie schneller zu sich und anderen eine Verbindung aufbauen können.

https://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/termine.php

 

Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
© Copyright Anja Palitza und Olaf Hartke

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