582/2023 Gewaltfreie Kommunikation in der Robert Bosch GmbH

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

in unseren öffentlich zugänglichen Seminaren erfahren wir meistens von den Teilnehmenden, was sie beruflich machen und wer ihr Arbeitgeber ist. Und überraschend oft hörten wir in den letzten 2-3 Jahren den Namen Robert Bosch.

Klar – die Robert Bosch GmbH ist unter den Wirtschaftsunternehmen der viertgrößte Arbeitgeber in Deutschland, doch dann müssten in unseren Trainings in vergleichbarer Häufigkeit auch Mitarbeitende von Volkswagen, der Deutschen Post, der Deutschen Bahn und Siemens erscheinen. Dem ist jedoch nicht so.

Beim „Weihnachts-Vertiefungs-Seminar“ Mitte Dezember im Bonifatiuskloster in Hünfeld waren gleich zwei Mitarbeitende von Bosch aus zwei verschiedenen Standorten unter den Teilnehmenden. Wir haben den beiden unseren obigen „Häufigkeits-Eindruck“ einfach mal beschrieben und interessiert nachgefragt, ob es zwischen dem Modell Gewaltfreie Kommunikation und der Robert Bosch GmbH eine konkrete Verbindung gibt.

Was wir dann gehört haben, hat uns überrascht und erfreut. Gleichzeitig hat es uns sehr zuversichtlich gemacht und unser Vertrauen in den oft noch unsichtbaren, sich aber doch bereits vollziehenden Wandel gestärkt. Mehr dazu im Folgenden.

Herzliche Grüße, heute von uns beiden aus Jena
Anja Palitza & Olaf Hartke

Zitat: „Eine anständige Art der Geschäftsführung ist auf Dauer das Einträglichste.“ (Robert Bosch)

Wir wissen nicht, was Robert Bosch im Jahr 1921 konkret unter „anständig“ verstanden hat. Wenn sein persönliches Konzept von „sich anständig verhalten“ das an zwischenmenschlichen Werten beinhaltete, was heute als Wertesystem auf der Bosch-Website genannt wird, dann sehen wir es ähnlich: Sicherung unserer Zukunft, Wohlergehen von Gesellschaft und Umwelt, vertrauensvolle Zusammenarbeit, Fairness im Umgang mit anderen, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit.

Beispiel: Wir wollten mehr darüber hören, wie das Modell Gewaltfreie Kommunikation im Unternehmen Fuß gefasst hat, und ich (Anja) habe den Teilnehmer dazu interviewt. Folgendes habe ich erfahren:

Wenn man bei Google nach „Bosch GfK“ sucht, findet man nicht viel. Die Suche führt zur „Bosch GKF 12-Volt Kantenfräse“. Das ist schade, denn Gewaltfreie Kommunikation hat sich in den letzten Jahren tatsächlich einen festen Platz im Unternehmen erobert.

Im Jahr 2018 sind einige Kollegen im Rahmen eines selbstorganisierten Lernforums zum Thema GfK zusammengekommen. Daraus wurde zu Beginn der Corona-Zeit die „NVC@Bosch“-Community, in der nach und nach die weiter unten aufgeführten Angebote entwickelt wurden.

Die Community ist seitdem organisch gewachsen; allein durch das Interesse und den Einsatz der beitragenden Mitarbeiter*innen. Es gibt keinen „GfK-Roll-Out“, keine Pflichtschulungen – alles steht ganz im Sinne der Freiwilligkeit.

Im Unternehmen Bosch gibt es nun ein Netzwerk von GfK-interessierten und GfK-versierten Mitarbeitenden aus verschiedensten Bereichen. Sie bringen auch unterschiedlichste Angebote in das Unternehmen mit ein, wie z.B. tägliche Übungsgruppen, GfK-Einführungsseminare und Jahrestrainings, sowie eine Empathie-Hotline. Das Kernteam, das sich aktiv um die Etablierung und Aufrechterhaltung von Gewaltfreier Kommunikation im Unternehmen bemüht, besteht heute aus neun Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Funktionen und Geschäftseinheiten.

Die Online-Übungsgruppen sind allen Mitarbeitenden zugänglich und über das Intranet erreichbar. Die Trainer sind teilweise von ihren Führungskräften für die Durchführung freigestellt und für einen Teil der Teilnehmenden wird die Teilnahme als Arbeitszeit anerkannt. Es gibt regelmäßige Termine und Einzeltermine für bestimmte Fokusthemen wie z.B. aktuell „Bewegt und berührt.“

Montags steht Dyaden-Arbeit und empathisches Zuhören im Plan, Dienstag und Donnerstag ist GfK für Einsteiger und Fortgeschrittene als festes Gruppenangebot und mittwochs ist GfK für alle zum üben und erleben. Freitags konnte mit einer englischsprachigen Gruppe gestartet werden.

Es werden auch Lernmaterialien wie eine Literaturliste, Gefühl- und Bedürfnislisten, sowie Texte rund um das Thema zur Verfügung gestellt. Bestimmte Ausschnitte aus Schulungen und Präsentationen werden aufgezeichnet und stehen anderen Mitarbeitenden zum Nachschauen zur Verfügung.

Zu Beginn wurde das Thema komplett von interessierten Mitarbeitenden vorangetrieben. Doch mittlerweile wird die Community auch von Führungskräften und Manager*innen unterstützt. Seit Ende 2022 gibt es eine Vizepräsidentin eines Geschäftsbereichs, die bereit ist monetär weiter zu unterstützen.

Gewaltfreie Kommunikation ist gleichfalls eingebettet im Kontext der eigenen Unternehmenskultur/-philosophie und findet sich auch als offizielles Angebot im Schulungskatalog wieder.

Die Entwicklung dieser internen „GfK-Kultur“ wird zurückgeführt, auf die Eigeninitiative und die geduldige, beharrliche Arbeit in der Community.

Der Bosch-Mitarbeitende machte darauf aufmerksam:

„Wenn jemand etwas Ähnliches in einer anderen Firma anzetteln möchte, muss man sich darauf einstellen, dass es etwas dauern kann, bis die Vorteile auch weiter oben in der Hierarchie gesehen werden. Bei Bosch sind wir jetzt über den Punkt hinweg und können uns über eine etablierte Gemeinschaft freuen, die auch weiter wächst. Ganz aktuell gibt es sogar eine Nachfrage von Bosch-Kollegen in China nach GfK-Angeboten. Zudem vernetzt sich unsere GfK-Community auch zu wichtigen Partnern innerhalb des Konzerns, bspw. mit Angeboten zu Coaching, Achtsamkeit und Unternehmens- bzw. Führungskultur.“

Information: Um Gewaltfreie Kommunikation in ein Unternehmen einzubringen, bieten sich verschiedene Wege an. Im Kinder- und Jugendheim mit 54 Mitarbeitenden in dem Anja als Familienberaterin tätig ist, war es ebenfalls ein Prozess über mehrere Jahre und er ist bis heute nicht abgeschlossen.

Anja brachte das Thema durch ihre Arbeit in die Einrichtung ein und sie fiel ihrer Chefin als „angenehm anders“ auf. Das langfristige Etablieren der GfK wurde dann durch die damalige Leiterin ermöglicht.

Sie war erst interessiert und dann beim näheren Kennenlernen des Modells begeistert und sagte: „Genau das können wir hier gut hier gebrauchen.“

Doch nicht alle Mitarbeitenden teilten diese Einschätzung gleichermaßen und es gab auch Widerstände gegen das Modell. Anja überzeugte mit der Unterstützung der Leiterin durch freiwillige Kennenlern-Angebote. Die Kolleg*Innen konnten vorsichtig Ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Das Anja die Prinzipien überzeugt vorlebte und unbeirrt umsetzte, hatte dabei eine besonders starke Überzeugungskraft und zeigte auch Wirkung.

Anja hat es ferner als hilfreich erlebt, dass bald auch die Teamleitungen hinter dem Konzept standen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit immens, dass die Inhalte angewendet und in die Arbeit integriert werden. Gewaltfreie Kommunikation ist eben nicht nur ein Modell oder ein Werkzeug, das „angewendet wird“; es ist eine Haltung, die „gelebt“ werden will.

Doch genauso kann das Etablieren der Gewaltfreien Kommunikation in einem Unternehmen auch ohne Start-Unterstützung von Leitenden, sondern allein über die Ebene der Mitarbeitenden geschehen, wie es das Unternehmen Bosch zeigt.

Die Beispiele der Bosch-GfK-Community und des Kinder- und Jugendheimes zeigen, dass das Heranwachsen einer stabilen innerbetrieblichen GfK-Gemeinschaft kein Weg ist, der von heute auf morgen große sichtbare Erfolge mit sich bringt. Das hören wir auch in anderen Unternehmen. Es sind Vertrauen, Geduld und Beharrlichkeit notwendig; ein „immer wieder dafür werben und ein darauf aufmerksam machen“.

Doch es lohnt sich, denn die Einführung ist ein Weg, der die Haltung und die Einstellung zum Miteinander nachhaltig verändert. Wenn dieser Prozess einmal angestoßen ist, wird er Schritt für Schritt bei vielen Mitarbeitenden Ergebnisse zeigen.

Sie haben dies vermutlich schon mal gehört: „Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht.“

So wie Pflanzen Wasser, Licht und Nährstoffe brauchen, um zu gedeihen, so braucht die Gewaltfreie Kommunikation ebenfalls ein förderliches Umfeld. Dies besteht aus Menschen, die die Vorteile dieses Miteinanders erkannt haben, die diese Qualität auch am Arbeitsplatz nicht missen möchten und die bereit sind, sich dafür zu engagieren.

Sofort-Üben: Schließen Sie einmal kurz die Augen. Lehnen sich im Stuhl nach hinten. Machen Sie drei tiefe Atemzüge und stellen Sie sich dann einmal Ihren Wunscharbeitsplatz vor. Wie möchten Sie, dass das Miteinander im Unternehmen gestaltet ist? Wie müsste es sein, dass Sie sagen: Ja, so fühle ich mich wohl. So kann ich mir meine wichtigsten Bedürfnisse auch am Arbeitsplatz erfüllen. Vielleicht stellen Sie fest, dass Sie dort bereits zufrieden sind, weil sich die meisten Ihrer Bedürfnisse schon erfüllen. Falls nicht, dann widmen Sie sich vielleicht noch der Wochenaufgabe.

Wochenaufgabe: Sie möchten auch, dass sich das Miteinander in Ihrem Unternehmen verändert, und Sie wünschen sich, dass die Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation in Ihr Unternehmen einziehen und integriert werden? Was wäre aus Ihrer Sicht ein möglicher erster Schritt, der unter Umständen einen Anstoß bewirken könnte? An wen könnten Sie sich wenden?

Aktuelles

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Seminare 2023
23.01.2023  Willenskrafttraining Online (10 Abende für 1½ Stunden, Beginn 18 Uhr)
14.02.2023  Trainer(Innen)-Ausbildung Präsenz – Modul 1
21.02.2023  Schneeschuh-Tour zur Hohgant-Hütte für Einzelteilnehmer und Paare
26.02.2023  Schneeschuh-Tour zur Hohgant-Hütte nur für Paare (Warteliste)
17.03.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (1 Tag mit Vorabendanreise)
16.04.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Baltrum (5 Tage
06.05.2023  Wandeltage 2023 Jahresgruppe Präsenz –(6 Module à 3 Tage))
22.05.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ in Dießen am Ammersee (5 Tage)
02.06.2023  NEU GFK-Vertiefung II – Übungsseminar mit neuen Inhalten (3 Tage)
16.06.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
28.06.2023  Auszeit für Paare im Knaubenhof im Altmühltal (5 Tage)
25.08.2023  Wandeltage-Vertiefung Fortführung des Jahreskurses im Kloster Hünfeld (3 Tage)
15.09.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (1 Tag mit Vorabendanreise)
26.09.2023  Gruppenentscheidungen treffen mit „Systemisch Konsensieren“ (3 Tage)
06.10.2023  Wandeltage 2023 Jahresgruppe Online –(6 Module à 3 Tage))
15.10.2023  Ein Führungskräftetraining auf Basis GfK auf Baltrum (5 Tage)
23.10.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
09.11.2023  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
08.12.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
10.12.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
15.12.2023  NEU GFK-Weihnachts- und Jahresabschluss-Seminar im Kunze-Hof am Jadebusen (2 Tage)

Weiteres finden Sie auf unserer Website:

Es sind noch nicht alle Informationen zu den Seminaren aktualisiert; fragen Sie direkt bei uns nach, wenn Sie konkrete Fragen dazu haben.

2 Gedanken zu “582/2023 Gewaltfreie Kommunikation in der Robert Bosch GmbH

  1. Liebe Anja,

    vielen Dank für diesen interessanten Beitrag. Er lässt bei mir als Trainer Hoffnung aufkommen, dass wenn wir genug andere Menschen für GFK begeistern, sie wiederum die GFK weiter in die Welt tragen.

    Vieles scheitert, denke ich daran, ob die Führungsebene mit von der Partie ist oder nicht. Wenn Leitungen GFK Angebote anordnen und dann selbst nicht teilnehmen, haben es die Mitarbeitenden danach schwer, die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zu vermitteln.

    Toll, dass es die Bosch-Community und auch du in der Einrichtung, in der du tätig bist, geschafft haben, die Leitungen zu begeistern.

    Danke auch für die Impulse am Ende. Das bringt gleich wieder mehr GFK in den Alltag.

    Liebe Grüße und alles Gute für dich und deine Arbeit
    Michael

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  2. Pingback: 589 / 2023 Gewaltfreie Kommunikation bei der Mercedes Benz AG – Coachingbriefe "Gewaltfrei leben"

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