Liebe Leserinnen und liebe Leser,
vorletzte Woche war ich (Olaf) mit Freunden in der Schweiz, um ein europaweites Motorrad-Treffen zu besuchen. Anschließend war ich noch zwei Tage allein unterwegs und bin ein wenig durch die Schweiz gebummelt.
Wie ich dann Schrecken, Sorgen, Enttäuschung, Hoffnung, Frustration, Zuversicht, Freude, Begeisterung und Dankbarkeit erleben konnte und wodurch sich mein Vertrauen einmal mehr festigte, dass es in jeder Situation irgendwo einen rettenden Engel gibt, darum geht es im Folgenden.
Herzliche Urlaubsgrüße von uns beiden aus dem italienischen Portofino
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Rettende Engel – gibt’s die noch?
Zitat: „Das Sinnvolle unseres Zusammenlebens ist, einander zu helfen, einander Freude zu machen.“ (Theodor Hieck)
Beispiel: Auf einem alten Motorrad riecht es immer wieder mal ein wenig nach Benzin, das bin ich gewohnt. Doch der intensive und langanhaltende Benzingeruch der sich da beim Stopp auf der Passhöhe bemerkbar machte, veranlasste mich, einen Blick unter den Motorblock und in die Zwischenräume zu werfen und dann kam gleich der Schrecken. Da tropfte nicht nur etwas, das wie Benzin aussah und roch – es lief förmlich am Motorblock herunter.
Die Quelle des erschreckenden Rinnsals war mir schnell klar; vor einiger Zeit habe ich einen Riss im Tank reparieren lassen und diese Stelle war jetzt erneut undicht. Die Sorgen traten ein, als ich mir überlegte, ob und wie ich weiterkomme.
Eine Moto-Guzzi-Fachwerkstatt aufzusuchen und einen neuen Tank zu kaufen schied aus – schon lange nicht mehr lieferbar. Schlimmstenfalls würde die Weiterreise also so aussehen, dass das Motorrad nach Bielefeld transportiert wird und ich mich der Bahn anvertraue. Enttäuschung machte sich breit – ich habe nur wenige Motorrad-Tage im Jahr zur Verfügung.
Also erstmal alles versuchen, dachte ich mir – mehr als nicht halten kann es nicht. Etwas Hoffnung trat ein, als es funktionierte, mit einem Stück Gummi und einem Streifen Blech den Riss so weit abzudichten, dass es nur noch langsam tropfte und kurze Fahrstrecken wieder vorstellbar waren. Und abends habe ich auf dem Campingplatz an einem Hang ganz schräg geparkt und es tropfte bei halb leerem Tank gar nicht mehr. Wunderbar.
In der Annahme, den Tank ein zweites Mal kleben lassen zu können, habe ich am nächsten Morgen sieben kunststoffverarbeitende Betriebe angerufen und bin sieben Mal abgewimmelt worden. OK – meine Bitte war von Art und Umfang auch nicht so, dass man sie sofort begeistert erfüllen möchte:
„Guten Tag, ich bin zurzeit hier bei Ihnen in der Nähe im Urlaub und habe eine Panne mit dem Motorrad. Ich suche jemanden, der mir mit einem benzinfesten Spezialkleber meinen nicht schweißbaren Kunststofftank kleben kann…“ (Ich erspare Ihnen die teilweise mehrminütigen fachlichen Dialoge über Kunststoffarten und die jeweiligen Reparaturmöglichkeiten.) Drei Betriebe hatte ich gefunden, die hätten es vermutlich gekonnt, doch die ergänzenden Infos haben zur Ablehnung geführt: „Nein, ich bringe nicht nur den Tank, sondern ich komme mit dem ganzen Motorrad, brauche eine Ecke von vier Quadratmetern zum Abpacken und zum Demontieren von Verkleidung und Sitzbank. Und ich benötige zum Ablassen des Benzins ein Stück Schlauch und einen großen Kanister und danach etwas Luft aus einem Druckluft-Kompressor zum Ausblasen des nassen Tanks. Ach ja, nach dem Kleben bleibe ich dann noch drei Stunden, damit der Kleber aushärten kann und dann brauche ich noch eine Stunde, um alles wieder zusammenzubauen…“.
Ganz ehrlich – ich weiß, solche Aufträge braucht niemand und will keiner haben.
Die Frustration nach der siebten Absage war groß.
Doch dann – achtes Telefonat und große Freude, denn Herr Reto Grütter, Geschäftsführer der Grütter AG in Hombrechtikon zeigte ein Herz für „Töff-Fahrer“ – das Motorrad nennt man hier auch „Töff“ – und nach der Mittagspause standen mein Schätzchen und ich vor der Tür.
Als nächstes stellte sich bei mir ganz schnell Begeisterung ein, denn ein freundlicher und kompetenter Mitarbeiter versorgte mich mit allem was ich brauchte und kümmerte sich fachmännisch um meinen Tank. Solche Dienstleistungen – oder eher Hilfeleistungen – sind mit Geld schwer bezahlbar. Umso erfreuter war ich, als ich hörte, dass mit der Bezahlung des Klebers und einem Obolus für die Kaffeekasse die Sache erledigt sei. Wow!
Abgerundet wurde der Besuch durch ein interessantes Gespräch mit Reto Grütter über sein Motorrad: Ein Motorrad aus der Schweiz, ich staunte. Eine Condor aus den Siebzigerjahren mit einem seltenen Königswellen-Einzylindermotor von Ducati.
Ich verließ am späten Nachmittag die Grütter AG in Hombrechtikon mit großer Dankbarkeit. Ich konnte meinen Urlaub fortsetzen, die Reisekasse blieb erhalten und mein Vertrauen wurde bestärkt, dass in jeder Lebenssituation, die man nicht alleine gemeistert bekommt, ein rettender Engel nur ein oder zwei Ecken weiter auf seinen Einsatz wartet.
So – lange Vorgeschichte und um was geht es mir eigentlich? Was mich und meine Dankbarkeit während meiner Weiterfahrt noch lange begleitet hat, war die Frage, weshalb Reto Grütter es sich nicht leicht gemacht hat und mir, wie die anderen sieben Inhaber kunststoffverarbeitender Betriebe einfach absagte.
Information: Marshall Rosenberg geht in seinen Grundannahmen im Modell Gewaltfreie Kommunikation davon aus, dass Menschen „freiwillig und gern etwas zur Schönheit im Leben anderer Menschen beitragen“ wollen. Etwas weniger prosaisch ausgedrückt: Menschen helfen im Prinzip gern.
Doch es helfen ja nicht alle Menschen und auch helfende Menschen helfen ja nicht ständig. Was ist also konkret nötig, dass sie es auch tatsächlich tun?
Unsere Überzeugung ist, dass das Beitragen zum Wohle anderer Menschen ein menschliches Grundbedürfnis ist. Menschen haben Freude daran, wenn sie Andere unterstützen und ihnen helfen können und sie erfüllen sich damit manchmal selbst auch weitere Bedürfnisse.
Menschen mit ausgeprägtem Einfühlungsvermögen neigen übrigens eher dazu, zu helfen. Wer mitfühlen kann, wie es anderen Menschen gerade emotional geht und wer sich darin „einspüren“ kann, welche Bedürfnisse dem Anderen gerade am Herzen liegen, ist tendenziell eher bereit zu helfen, auch wenn es unter Umständen mit Aufwand verbunden ist.
Zum „Sofort-Üben“: Welche eigenen Bedürfnisse erfüllte es möglicherweise Reto Grütter, als er seine Werkstatt, seine Kompetenz und einen Mitarbeiter zur Verfügung stellte? (Unsere Gedanken dazu finden Sie am Ende des Coachingbriefes.)
Wochenaufgabe: Seien Sie in dieser Woche einmal besonders aufmerksam, ob und wie Sie „zur Schönheit im Leben anderer Menschen beigetragen“ haben. Oder wo Sie dies tun können. Wie ging es Ihnen im Anschluss? Und welche Bedürfnisse haben Sie sich damit selbst erfüllt?
Aktuelles:
GFK-Tage 2020 in Thüringen
Wir möchten noch auf eine besondere Veranstaltung im August aufmerksam machen: Die GfK-Tage 2020 in Erfurt am 29./30.082020
Unter dem Motto „Miteinander leben – Authentisch und auf Augenhöhe“ bieten unter der bewährten Organisation von Antje Reichert auch in diesem Jahr 15 Trainer 23 Workshops an. Nutzen Sie diese Gelegenheit, Trainer und GFK-Aspekte kennenzulernen. Information und Anmeldung:
Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
on: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
http://www.ab-ins-kloster.de
© Copyright Anja Palitza und Olaf Hartke
Unser Vorschlag: Sie wissen – über die Bedürfnisse anderer Menschen zu mutmaßen ist immer eine Spekulation, man trifft lediglich Annahmen darüber, was anderen Menschen wichtig ist. Auch wir wissen nicht, wir spekulieren lediglich.
Ganz allgemein trägt jeder Mensch das Bedürfnis in sich, andere zu unterstützen und beizutragen. Manchmal ist allein das ausreichend, dass Menschen sich für konkrete Taten entscheiden.
Und manchmal kommen andere Bedürfnisse hinzu und hier beginnt die Mutmaßung. Reto Grütter besitzt selber ein Motorrad. Vielleicht konnte er sich einfühlen, wie es ist, wenn das Motorrad streikt und man auf Hilfe angewiesen ist. Vielleicht hat er auch schon unterwegs Hilfe erlebt und konnte so einen Ausgleich dazu schaffen. Es ist auch möglich, dass er sich der Gruppe von Motorradfahrern zugehörig erlebt und so seiner Verbundenheit Ausdruck geben kann. Vielleicht motivierte ihn auch eine Freude daran, mit Wissen und Kompetenz weiterhelfen zu können; nicht wenige Techniker entdecken im Lösen technischer Probleme auch eine kleine Herausforderung.
Und egal, was es ist – ich bin in Gedanken gerade nochmal in der Werkhalle der Grütter AG, sehe die Menschen vor mir und merke auch heute beim Schreiben immer noch das Gefühl von Dankbarkeit für die Hilfe. Daran könnte sich jetzt gleich das Thema „Gedanken erzeugen Gefühle“ anschließen, doch das ist ein anderer Coachingbrief zu einer anderen Zeit…