Liebe Leserin und lieber Leser,
der Coachingbrief der letzten Woche hat einen Leser angeregt, uns zu schreiben. Er teilte uns mit, er habe neben der Euphorie und Freude über das diesjährige Fußball-Ereignis auch eine Sorge. Nämlich die, dass die angenehmen Dinge des Lebens zwar viele unserer Bedürfnisse erfüllen, doch die gleichen Dinge unsere Bedürfnisse nach Gerechtigkeit, Frieden und Wohlergehen aller Menschen übertönen. Er erinnerte uns an das „Brot-und-Spiele-Prinzip“ im römischen Reich (Panem et circensis).
Ähnliche Gedanken haben wir auch. Wir wünschen Ihnen eine gewaltfreie Woche.
Herzliche Grüße, diese Woche von uns beiden aus Jena
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Brot und Spiele
Zitat: „Das römische Volk lässt sich insbesondere durch zwei Dinge im Bann halten: Getreide und Schauspiele.“
(Marcus Cornelius Fronto, geb. um 100, gestorben um 170 n.C.; römischer Rhetoriker)
„Ich denke, dass es nicht stimmt, dass alles auf der Welt zum Heulen ist und kaputt geht. Das ist nur eine Hälfte der Realität, es gibt eine andere, in der uns was gelingt, in der Solidarität gelingt, in kleinen Einheiten, in Kommunen, Gemeinden Dinge passieren, die großartig sind. Diese Geschichten vom Gelingen, die brauchen wir, um uns nicht immer wieder zu verzehren im Wortsinn“. (Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur)
Beispiel: Alle zwei Jahre im Wechsel Fußball-Weltmeisterschaft und Fußball-Europameisterschaft, jährlich Champions-League, DFB-Pokal, jede Woche regionale Veranstaltungen von 1.-3. Bundesliga, Regionalliga, Oberliga, Verbandsliga, Landesliga, Kreisliga und vielleicht noch weiteren Ligen in den meisten Städten Deutschlands. Das allein im Fußball.
Daneben Veranstaltungen weiterer Sportarten wie Handball, Basketball und Volleyball. Dazu Rennveranstaltungen mit Autos, Motorrädern und Fahrädern bis hin zu LKW- und Traktoren. Außerdem noch Musik-Events in Arenen und Veranstaltungshallen und viele, viele weitere Angebote, mit denen man seine Freizeit verbringen kann.
Und über alles wird auch mehr oder weniger ausführlich in den Medien berichtet.
In den westlichen Industrienationen gibt es ein reichhaltiges Unterhaltungsangebot für die Menschen.
Vergessen wir darüber zum Beispiel, dass im Jahr 2016 über 800 Millionen Menschen, überwiegend Kinder, an den Folgen von Unterernährung gestorben sind?
Oder dass nach einer Studie des Heidelberger Institutes für Konfliktforschung aktuell in der Welt gerade 17 verschiedene Kriege geführt werden?
Information: Ein Text aus „Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation“; Marshall Rosenberg im Gespräch mit Gabriele Seils, Herder Verlag 2007
Die Welt verändern – jetzt!
Mit der Gewaltfreien Kommunikation möchten Sie eine einfache Methode anbieten, durch die sich jeder Einzelne mit einer sehr machtvollen Energie verbinden kann – eine Energie, die Sie „göttliche Energie“ nennen. Wenn wir diese Energie nutzen würden, hieße das, dass uns jederzeit eine unermessliche Kraft zur Verfügung steht, um Veränderungen anzustoßen. Liegt in diesem Potential nicht auch eine riesige Verantwortung?
Ja, Verantwortung ist eine ganz wichtige Komponente. Das gehört zu den Dingen, die am schwierigsten zu vermitteln sind. Wenn wir uns darüber bewusst sind, dass wir alle Teil ein und derselben Energie sind, dass wir also alle eins sind, dann kann keines unserer Bedürfnisse jemals erfüllt sein, ohne dass dieses Bedürfnis auch bei allen anderen Menschen erfüllt ist.
Das ist sprachlich schwer zu transportieren. Wann immer ich sage, dass ein Bedürfnis von mir erfüllt ist, beziehe ich mich eigentlich nur auf einen Teil: auf mich ganz persönlich. Wenn ich zum Beispiel gegessen habe und sage, ich bin satt, dann meine ich streng genommen: Der Hunger nach Nahrung im Körper von Marshall Rosenberg ist befriedigt. Aber wenn ich alle Menschen auf dieser Welt im Blick habe, ist mein Bedürfnis nach Nahrung noch nie erfüllt worden, in meinem ganzen Leben noch niemals, nicht annähernd. Das spüre ich ganz deutlich.
Das heißt nicht, dass ich ein schlechtes Gewissen habe, weil ich gerade etwas Gutes gegessen habe. Es wäre traurig, wenn ich nicht genießen könnte, was mir gegeben wird. Aber ich möchte mir bewusst darüber sein, dass heute Morgen beim Frühstück nur ein Teil meines Bedürfnisses nach Nahrung erfüllt wurde, nur ein ganz kleiner Teil.
Das heißt, wenn Sie essen, sind Sie glücklich, aber im gleichen Moment auch traurig?
Genauso ist es. Ich möchte diese Traurigkeit nie verlieren. Ich möchte beide Gefühle in mir lebendig sein lassen. Ich habe hier in der Schweiz, in Montreux, eine sehr wertvolle Erfahrung gemacht. Eine gute Freundin von mir, durch die ich ursprünglich in die Schweiz gekommen bin, wollte mich mit einem ihrer Bekannten zusammenbringen, einem Hotelbesitzer in Davos, der vor seiner Pensionierung ein berühmter Küchenchef gewesen war. Auf dem Weg nach Montreux kaufte ich im Bahnhof ein französisches Magazin, um mein Französisch ein bisschen wiederzubeleben. Das Cover zeigt die Großaufnahme eines afrikanischen Kindes mit aufgeblähtem Bauch und der Artikel im Magazin berichtete davon, wie viele Kinder in diesem afrikanischen Land verhungern. Ich las das den ganzen Weg nach Montreux, jedes furchtbare Detail, und dann kam ich an und war auf einmal zu Gast bei diesem unglaublich netten und gastfreundlichen Mann, der mir den Ehrenplatz am Esstisch anbot, von wo aus man einen herrlichen Blick auf den Genfer See hatte. Da saß ich nun in diesem Luxusappartement mit meinem Aperitif, schaute auf den Genfer See und hatte in meinem Kopf das Bild dieses afrikanischen Kindes. Ich dachte: Wie kann ich in der gleichen Welt wie dieses Kind leben und mit ansehen, dass Millionen Kinder wie dieses verhungern? Wie kann ich da so ein extravagantes Dinner zu mir nehmen? Das geht doch überhaupt nicht.
Und während ich das dachte, strahlte mein Gastgeber eine solche wundervolle Energie aus und freute sich so sehr darüber, all diesen Luxus mit mir teilen zu können, dass plötzlich etwas Erstaunliches passierte: Es war, als ob dieses Kind auf meinem Schoß säße und zu mir sagen würde: „Genieße es! Wenn Du es nicht genießt, habe ich auch nichts davon. Deshalb genieße so, dass Du mir damit hilfst.“
Was ich in diesem Moment verstanden habe, ist: Nähre dich selbst indem du die Schönheit der Welt genießt, und nutze diese Energie, um Nahrung dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird.
Aber pass auf, dass du diesen Gedanken nicht missbrauchst und ihn als Rechtfertigung für ein nettes unbekümmertes Leben nimmst. Nutze die Energie, die du aus dem Reichtum des Lebens schöpfst, um dem Leben zu dienen.
Ich erinnere mich täglich daran, auch wenn ich mir nicht wirklich Sorgen mache, dass ich mich in luxuriösen Ausschweifungen verliere.
Wochenaufgabe: Ein Gedankenspiel: Wenn man alle Bedürfnisse oder auch alle zur Verfügung stehende Zeit verteilen würde auf lediglich zwei Kategorien – wie wohl würden Sie sich mit Ihrer persönlichen Verteilungs-Bilanz fühlen?
Die beiden Kategorien heißen „Unterhaltung und Genuss“ und „Beitrag leisten und unterstützen“.
Berücksichtigen Sie in Ihrem derzeitigen Leben beide Bereiche in einem für Sie ausgewogenen Verhältnis? Was würde Ihr Leben derzeit mehr bereichern – „Unterhaltung und Genuss“ oder „Beitrag leisten und unterstützen“?
Aktuelles:
Vertiefungsseminar Gewaltfreie Kommunikation am 01./02. September 2018 in Jena.
Zwei Plätze sind noch frei.
Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation vom 19.-21. Oktober 2018 in Berlin
Weitere Angebote und nähere Informationen:
http://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/termine.php
Herausgeber: Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
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