263/2016 Solidarität für Jeden?

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

hier ist der Coachingbrief für diese Woche.

Herzliche Grüße aus Jena und Bielefeld
Anja Palitza & Olaf Hartke

 

Thema: Solidarität für jeden?

Zitat: „Es bereitet Menschen von ihrer Natur her Freude, zum Wohlergehen anderer beizutragen, wenn sie das freiwillig tun können.“ (Marshall Rosenberg)

„Was ich in meinem Leben will, ist Einfühlsamkeit, ein Fluss zwischen mir und anderen, der  auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht.“ (Marshall Rosenberg)

Beispiel: Ich (Olaf) bin zur Weihnachtsfeier eines Motorradclubs eingeladen. Über 40 Clubmitglieder haben den kleinen Saal des Lokals gut gefüllt. Meine Sitznachbarn rechts und links sind nochmal auf dem Weg zum Buffet und ich bekomme daher mit, was von den drei Männern mir gegenüber am Tisch gesprochen wird.

„Die Motorräder stehen beide in der Garage. Die Schlüssel habe ich vor vier Wochen schon alle mitgenommen, auch den Garagenschlüssel. Er kommt gar nicht mehr rein.“

„Und sein Auto?“

„Kein Problem, das hat das Autohaus im Oktober schon abgeholt.“

„Was ist denn noch wichtig?“

„Lutz hat angeboten, sich um den Wocheneinkauf seiner Mutter zu kümmern. Die wohnt nur zwei Blocks entfernt von ihm. Das schafft er zurzeit auch nicht mehr.“

„In der Post war eine Kündigung seines Vermieters. Den habe ich letzte Woche besucht. Ohne Zahlung der letzten drei Mieten nimmt er die Räumungsklage nicht zurück, sagt er.“

„Stemmen wir das?“

„Jeder einen Monat, ist das ok? Wenn er jetzt auch noch aus der Wohnung fliegt, kommt er überhaupt nicht mehr auf die Beine.“

Dann kommen meine Sitznachbarn zurück und ich erfahre erst später die Hintergründe des Gesprächs. Die drei Männer, denen ich zuhörte und der Vierte, über den sie sprachen, sind seit Jahrzehnten eng befreundet. Der Vierte ist im Frühjahr arbeitslos geworden, hat in den folgenden Monaten drastisch seinen Alkoholkonsum erhöht und steht anscheinend kurz vor der Einlieferung in ein Krankenhaus. Zum Arbeitsamt geht er nicht, das verbietet ihm sein Stolz.

Das seine Freunde ihn unterstützen ist für meinen Bekannten, der mich zu dieser Feier mitgenommen hat, nicht ungewöhnlich. Er ist sich sicher, dass sich an der Miete auch weitere Clubmitglieder beteiligen werden. „So machen wir das hier.“, ist sein abschließender Kommentar dazu. Das Thema wird gewechselt, ich bin erstaunt und gleichzeitig sehr berührt.

Information: Das Stichwort Solidarität fällt seit einiger Zeit meistens im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Flüchtlings-Problematik. Doch auch in vielen anderen Situationen, die keine öffentliche Betrachtung haben, zeigen sich Menschen in ihrem Alltag solidarisch.

Nach unserem Verständnis der Gewaltfreien Kommunikation ist Solidarität eng verbunden mit den menschlichen Bedürfnissen, zum Leben anderer beizutragen und andere zu unterstützen.

Dieses „für einander da sein“ und sich um diejenigen zu kümmern, die es aus eigener Kraft gerade nicht so gut schaffen, erfahren wir besonders als Säugling, als Kleinkind und dann im immer weiter abnehmenden Ausmaß auch noch in unserer Jugend sehr elementar. Jedes Kind macht die Erfahrung, dass es andere gibt, die sich kümmern. Falls es im familiären Umfeld nicht so gut gelingt, springt in Deutschland ersatzweise der Staat ein und bezahlt Menschen dafür, sich um die Kinder der Eltern zu kümmern, die es gerade aus eigener Kraft nicht schaffen.

In der Kindheit erleben wir also, dass andere sich immer wieder um uns kümmern und uns unterstützen, oft ganz bedingungslos. Und irgendwann – für das eine Kind früher, für das andere später – kommt der Zeitpunkt, an dem Unterstützung gebunden wird an bestimmte Regeln und Gegenleistungen. Man erhält Gewohntes nicht mehr, wenn man nicht auch selbst bereit ist,…

Und spätestens dann, wenn man etwas „falsch gemacht hat“ und daraufhin in die missliche Lage geraten ist, dann „muss man die Suppe, die man sich eingebrockt hat, auch selber auslöffeln“.

Muss man sich also Solidarität verdienen? Oder muss man sich ihrer „würdig zeigen“ und andernfalls erhält man sie nicht mehr?

Die Bedürfnisse der anderen und die eigenen gleichermaßen zu sehen und anzuerkennen ist nach unserer Auffassung eine Grundlage Gewaltfreier Kommunikation. Ob ich zur Bedürfniserfüllung anderer beitrage oder nicht, hängt nicht nur davon ab, wie sehr meine eigenen Bedürfnisse dadurch erfüllt werden, sondern auch, wie sehr andere meiner Bedürfnisse vielleicht gerade dadurch in „Nicht-Erfüllung“ geraten und lebendig würden. Das man abwägt, ob man sich solidarisch zeigt und etwas für andere tut oder es unterlässt, ist für uns daher völlig konform mit der Gewaltfreien Kommunikation.

Was mich im obigen Beispiel sehr erstaunt und berührt hat ist, das nicht diskutiert wurde, ob man hilft, sondern lediglich wie man hilft. Die Schuldfrage („Aber er hat sich das doch selber eingebrockt…“) wurde nicht gestellt und Auflagen zu einer Wiedergutmachung („Und wann bekommen wir unser Geld zurück?“) wurden ebenfalls nicht besprochen. Die „bedingungslose“ Unterstützung war es, die mich sehr angesprochen hat. Das Selbstverständnis dazu in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Der Geist, der in einer Familie herrscht, in der man darauf vertraut, das die Bedürfnisse aller zählen und in der man geben kann im Vertrauen, dass einem selber auch gegeben werden wird, wenn man bedürftig ist.

Unsere Sozialisierung mit einem Denken in den Kategorien von „richtig und falsch“ sowie „gut und böse“ hat es mit sich gebracht, dass heute häufig die beiden oben genannten Fragen einer echten Solidarität – einem Geben von Herzen ohne Gegenleistung im Wege stehen.

Wochenaufgabe: Prüfen Sie in dieser Woche einmal, in welchen Situationen Sie andere unterstützen könnten, es jedoch nicht tun, weil Sie Gedanken wie „Selbst schuld.“ oder „Was bekomme ich zurück?“ davon abhalten.

Aktuelles: Der Hohgant-Hütten-Termin für 2017 ist bereits ausgebucht. Falls noch jemand abspringt, führen wir eine Warteliste, in die sich diejenigen eintragen lassen können, die noch mitkommen möchten. E-Mail an uns reicht dazu aus.

http://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/m05_gewaltfrei_leben_hohgant.php

Sie sind mit der Mailadresse [email] für den Empfang dieses Coachingbriefes eingetragen.
Wenn Sie sich abmelden möchten, klicken Sie bitte hier: [loeschlink]

Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
© Copyright Anja Palitza, Olaf Hartke

 

 

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