615/2023 Ein Brief aus Palästina. Menschen beeindrucken und inspirieren uns – gut, dass es sie gibt!

Liebe Leserin und lieber Leser,

eine ehemalige Seminarteilnehmerin engagiert sich seit einigen Jahren im zivilen Friedensdienst in Israel und Palästina. Wir stehen mit ihr im Kontakt, weil wir für April 2024 einen Besuch in Haifa (Israel) angedacht haben, um dort in den Kontakt mit den Friedensarbeitenden vor Ort zu treten.

Was daraus wird, ist gerade nicht abzusehen. Aus dem Umfeld unserer Bekannten haben etwa 350 Kolleg*Innen die betreffenden israelischen und palästinensischen Gebiete bereits verlassen. Sie selbst hat mit zwei weiteren Kolleg*Innen die Entscheidung getroffen, vorerst vor Ort zu bleiben. Sie liebt ihre Arbeit und möchte sie fortsetzen. Sie hat uns ihre Gedanken geschildert, die wir hier im Coachingbrief veröffentlichen dürfen.

Traurige, dennoch herzliche Grüße, heute aus Bielefeld

Anja Palitza & Olaf Hartke

Thema: Ein Brief aus Palästina. Menschen beeindrucken und inspirieren uns – gut, dass es sie gibt!

Zitat: „Gestern war ich klug und wollte die Welt verändern. Heute bin ich weise und möchte mich verändern“ (Mevlana Dschelaluddin Rumi)

Beispiel: Unsere Bekannte schreibt:

Alle Menschen hier leiden, Israelis und Israelinnen, Palästinenserinnen und Palästinenser. Es sind schreckliche Ereignisse, die seit Kriegsbeginn hier passieren. Traumata entstehen und werden sich vertiefen. Die Spaltung der Gesellschaft, die schon über Jahre besteht, wird sich ausweiten. In der Friedensarbeit fangen wir wieder ganz von vorne an. Ist überhaupt noch an Frieden zu denken?

Ich bin gerade jetzt davon überzeugt, dass wir Menschen zuhören müssen. Empathie, das Aushalten von schlimmsten Bildern und Menschen zur Seite zu stehen, ist so wichtig. Warum hat sich alles so entwickelt? Zu verstehen, warum Menschen so handeln, ohne es zu entschuldigen, ist jetzt wichtig. Ich arbeite mit Palästinenserinnen seit vielen Jahren und habe meine persönliche Meinung zu ihrer Situation und trotzdem höre ich Israelis zu und unterscheide zwischen der Politik und der Zivilbevölkerung. 

Im Seminar von Anja und Olaf habe ich gelernt, dass GfK meine Methode ist, um hier zu arbeiten und auch für mich ganz persönlich in meinem privaten Umfeld zu kommunizieren. Es fällt gerade jetzt schwer, die Sprache der GfK anzuwenden, aber jetzt ist es mein wichtigstes Tool. Ich bin so dankbar, meine Unterlagen vom Seminar hier vor Ort zu haben. Menschen haben Bedürfnisse und ich versuche diese empathisch zu verstehen und mich nicht auf eine Seite zu stellen (auch das gelingt mir nicht immer) und für alle in Deutschland lebenden Menschen hoffe, dass sie dies im Nahost-Kontext auch tun. Erst einmal zuhören, ohne eine Meinung zu haben. 

Wir können selbst im Kleinen anfangen, bei unseren Liebsten, der Arbeitsstelle und im privaten Umfeld. Wir können so viel verändern, wenn wir bei uns anfangen. 

Für mich ist die GfK im Zuhören und empathisch auf Bedürfnisse einzugehen, ein Weg zum Frieden. Im Kleinen und vielleicht auch im Größeren. Ich hoffe immer noch.“

Information: Marshall Rosenberg führte bereits Ende der neunziger Jahre Schulungen in Israel durch, unter anderem bei der gesamten Polizei der Stadt Aschkelon. Innerhalb von sechs Monaten nach den Schulungen ging die Anzahl der Beschwerden von Bürgern über Polizeimissbrauch oder Brutalität um 50% zurück.

Wir vermuten, sie sank nicht, weil sich die Beschwerde-Mentalität der Bürger verändert hat oder die formalen Beschwerde-Möglichkeiten eingeschränkt wurden. Wir nehmen an, dass es einfach weniger Beschwerde-Gründe gegeben hat. Weil Polizeibeamte ihre Kommunikation änderten. Weil sie im GFK-Training erkannt haben, dass man „gewaltfrei“ miteinander reden kann und trotzdem klar und wirksam bleiben kann.

Wenn das GFK-Modell die Menschen erreicht und sie sich mit den zugrundeliegenden Gedanken beschäftigen, dann verstehen viele dieser Menschen, dass das bisherige Miteinander mit anderen verändert und umgestaltet werden kann. Wir erleben so viele Beispiele für die Wirksamkeit der Gewaltfreien Kommunikation, dass wir inzwischen nicht mehr darauf zu hoffen brauchen, sondern fest daran glauben können. 

Und in Bezug auf Israel und Palästina: Wenn Menschen vor Ort weiter an die Möglichkeit einer friedvollen Zukunft glauben und beharrlich vorleben, wie es gehen kann, dann wird dies Menschen verändern. Auch wenn es noch Generationen dauert, bis eine kritische Masse erreicht ist. Es gab über die vergangenen Jahrhunderte betrachtet immer wieder gesellschaftliche Veränderungen, die erst nach dem Tod derer eingetreten sind, die ihre Grundlagen gelegt haben.

Dies ist auch die Überzeugung, die uns nährt und trägt. Die Rückmeldungen unserer Seminarteilnehmenden und der Menschen aus Beratungen und Coachings zeigen uns immer wieder, das Veränderungen im Miteinander möglich sind. Es braucht Geduld und mehr Menschen, die sich engagiert dafür einsetzen. Und die so überzeugt sind, dass sie nach Rückschlägen nicht aufgeben, sondern beharrlich dranbleiben – wie unsere Bekannte in Palästina. (Deren Namen wir hier gemäß Absprache nicht nennen. Obwohl wir es gern würden, weil sie die Person ist, an die wir mit unserer Formulierung des Themas dieser Coachingbrief-Ausgabe denken. „Liebe XY – gut, dass es Dich gibt!“)

Weltweit reifen und wachsen „GFK-Inseln“ heran. Mehr und mehr begegnen sie sich auch, es werden stabile Brücken gebaut, GFK-Inseln wachsen zusammen und werden irgendwann keine Inseln mehr sein, sondern als „Festland“ wahrgenommen werden.

Und einmal umgekehrt betrachtet: Schauen wir aktuell auf die politische Weltkarte, gibt es immer noch viele Krisenherde und Kriegsgebiete. Doch stellen wir sie uns in einer Kontrastfarbe zu den friedlichen Gebieten der Erde vor, dann sind es „Inseln der Gewalt“ in einem Meer aus Frieden. Und wir freuen uns über jeden Menschen, der sich in seinem persönlichen Möglichkeitsbereich dafür stark macht, diese Inseln nicht mehr als unvermeidbar in das friedliche Meer hineinwachsen zu lassen. Sowohl global und länderorientiert, als auch im Mikrokosmos des eigenen persönlichen Umfeldes. Dort kann jeder Mensch der mag, etwas zum Erleben von „Frieden im Miteinander“ beitragen. Weltweiter Frieden ist möglich – daran glaubte auch Marshall Rosenberg.

Eine Utopie? Ja, sicherlich. Und in jeder Utopie liegt die Chance des Möglichen. Wenn genügend Menschen die „utopische Vorstellung“ lebenswert finden und darüber hinaus bereit und fähig sind, etwas zur Verwirklichung beizutragen, dann tritt gesellschaftliche Veränderung ein. Wir erleben uns als Teil davon und wir fühlen uns sehr wohl damit.

Fragen Sie sich auch manchmal, ob und was Sie zu einer gesellschaftlichen Veränderung beitragen wollen und können? Wir haben dazu Ideen und Vorschläge. Wir planen ein Pilotprojekt im kommenden Jahr und suchen interessierte Menschen. Schreiben Sie uns eine Mail unter dem Stichwort „Raumpfleger*Innen gesucht“ und Sie erfahren mehr.

Wochenaufgabe: Unsere Bekannte schrieb aus dem Krisengebiet, dass Zuhören und Empathie so wichtig sind. Wem wollen Sie in dieser Woche das Geschenk Ihrer absichtslosen Präsenz und des „Verstehenwollens“ machen?

Aktuelles
Seminare 2023/2024
08.12.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
10.12.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
05.01.2024  GFK-Übungsseminar-Seminar im Bonifatiuskloster in Hünfeld (3 Tage)
25.02.2024  Schneeschuh-Tour zur Hohganthütte, GFK in besonderer Umgebung (4,5 Tage)
30.01.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
05.03.2024  Systemisch Konsensieren im Knaubenhof (3 Tage)
10.03.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
26.03.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Präsenz (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
13.04.2024  GfK-Einführungsseminar Online (2 Tage)
20.04.2024  Gewaltfreie Kommunikation und Yoga in Portugal (7 Tage)
21.06.2024  Wandeltage ein Jahreskurs in GfK Präsenz in 6 verschiedenen Klöstern (18 Tage)
18.09.2024  Paarseminar im Knaubenhof (5 Tage)
29.09.2024  Ein Führungskräftetraining auf Basis GfK am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
06.10.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
13.10.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Baltrum (5 Tage)
26.10.2024  GfK-Einführungsseminar Online (2 Tage)
07.11.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
04.02.2025  Trainer(Innen)-Ausbildung Präsenz (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)

Sie interessieren sich für eines der Seminare? Fragen Sie direkt bei uns nach und Sie erhalten ausführliche Informationen dazu .

Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
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