Liebe Leserin und lieber Leser,
uns hat am Ostersonntag ein Film tief im Herzen berührt und uns wiederholt darin bestätigt, dass die Gewaltfreie Kommunikation eine große Transformationskraft in sich trägt. Der Film heißt „Words that liberate“ und ist von der Regisseurin Geneviéve Roger.
In diesem Film erfahren Sie von der bewegenden Geschichte von Dow Gordon. Dow ist ein ehemaliger Häftling, der in seinem Leben bereits das dritte Mal im Gefängnis einsaß, als er dort die Gewaltfreien Kommunikation kennenlernte. Die Begegnung mit der GFK löste in ihm einen Prozess der Veränderung aus, der sich bis heute fortsetzt. Jetzt lebt er in Freiheit mit seiner Familie und unterrichtet selbst als zertifizierter Trainer die Gewaltfreie Kommunikation in Gefängnissen. Doch es ist nicht nur die Verwandlung von Dow, die mitreißt. Es sind die vielen Geschichten, die in diesem Film offenbart werden.
Der Film ist mit deutschen Untertiteln verfügbar. Sie finden ihn verlinkt unter dem Punkt „Beispiel“. Wir sind so dankbar für diese Übersetzungsarbeit, die in Zusammenarbeit zwischen Sweet Dream und dem Fachverband Gewaltfreie Kommunikation entstand. Der Film steht kostenfrei zur Verfügung und kann dadurch von vielen Menschen gesehen werden.
Dankbare Grüße, heute von uns beiden aus Jena
Anja Palitza & Olaf Hartke
Zitat: „Ich begegne keinen Monstern oder unangenehmen Menschen, sondern menschlichen Wesen, die Gefühle und Bedürfnisse haben.“ (Jens Hennings, GFK-Trainer mit Tätigkeitsschwerpunkt im Strafvollzug).
Beispiel: Nehmen Sie sich42 min Zeit und schauen Sie sich diesen Film in Ruhe an:
Information: Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation fragte:
„Was geschieht genau, wenn wir die Verbindung zu unserer einfühlsamen Natur verlieren und uns schließlich gewalttätig und ausbeuterisch verhalten? Und umgekehrt, was macht es manchen Menschen möglich, selbst unter den schwierigsten Bedingungen mit ihrem einfühlsamen Wesen in Kontakt zu bleiben?“
Diesen beiden Fragen ging Rosenberg sein gesamtes Leben lang nach. Er suchte nach Antworten und schuf ein Kommunikations-Modell, das den Menschen auch die Auseinandersetzung mit den eigenen inneren Dialogen ermöglicht und dazu beiträgt, sich immer wieder neu mit seinem einfühlsamen Wesen in Kontakt bringen zu können.
Wir hören oft in Seminaren die Sätze: „Ich will aber nicht verstehen.“ oder „Dafür kann ich keinerlei Verständnis ausbringen.“ oder „Dafür gibt es nicht mein Mitgefühl.“.
Wir entnehmen diesen Aussagen oft eine Angst der Menschen davor, dass wenn sie ihr Herz öffnen und Mitgefühl zulassen, es gleichbedeutend wäre damit, dass sie eine bestimmte Handlung oder eine Tat eines Menschen entschuldigen, tolerieren oder gar akzeptieren würden. Manche Menschen wollen unter allen Umständen ihre Empörung schützen und den damit einhergehenden Widerstand gegen die Handlung, die sie verurteilen. Verständnis für Täter zu haben, wäre für sie gleichbedeutend mit Toleranz oder Akzeptanz ihrer Taten. In manchen Situationen ist es auch der Wunsch, einem Opfer von aggressiven Handlungen zur Seite zu stehen und sich loyal ihnen gegenüber zu verhalten.
Doch bei all den verständlichen Hintergründen – man verschließt sein eigenes Herz der Mitmenschlichkeit und das hat Auswirkungen auf das eigene Leben.
Ich (Anja) habe bemerkt, dass ich vor der dem Kennenlernen der Gewaltfreien Kommunikation nicht fähig war, mir selbst mein volles Mitgefühl entgegenzubringen. Und noch heute ist es manchmal eine Herausforderung, mich für mich selbst zu öffnen und meine volle Liebe und mein Verständnis für diesen Wesen „Anja“ zuzulassen.
Früher unterschied ich Situationen in: „Hier ist Mitgefühl möglich.“ und „Hier ist Mitgefühl unangebracht.“ Ich war in einem ständigen oft sogar unbewussten Bewertungsprozess meiner selbst. Ich bestrafte mich selbst damit, mir mein Mitgefühl für mich zu untersagen und ich wollte auch andere bestrafen, indem ich ihnen mein Mitgefühl versagte.
Doch genau genommen verschloss ich in beiden Fällen damit mein Herz vor mir selbst. Ich nahm meine eigene Schattenseite nicht an. Und ich lief förmlich vor der Schattenseite anderer davon; wollte nicht damit konfrontiert werden. Denn ich ahnte, dass diese Dunkelheit auch in mir lebte und wusste nicht, wie ich damit umgehen kann, falls sie zum Vorschein kommt. Bis dahin kannte ich für Täter nur Abwertungen, Verurteilungen und Strafen. Verständnis und Mitgefühl gab es höchstens für die „Opfer“; niemals für die Täter.
Die Autorin Christl Lieben schrieb das Buch „Im Antlitz des Bösen“ und ich erkenne mich in diesen Zeilen darin wieder:
„Ich bin in der Dunkelheit beinahe verloren gegangen. Was mich gerettet hat, war die schlagartige Erkenntnis, dass diese Dunkelheit in ihrer ganzen Fülle auch in mir lebt, als Potenzial, an dem ich – über das kollektive Unbewusste – Anteil habe. Theoretisch war mir das klar, aber es in der gelebten Wucht in mir zuzulassen, das war neu. Ein Wort hat mich gerettet – vielleicht ist es eines der wichtigsten Worte der menschlichen Sprache: das Wort WIR. Wenn ich wahrhaftig sagen kann, WIR zerstören, WIR foltern und töten und WIR werden gefoltert und getötet“ dann bin ich in Kontakt mit der so oft verleugneten dunklen Hälfte unseres Bewusstseins. Erst dann bin ich ganz. Ich kann hinausgehen, mit weit offenem Herzen und mit Tätern und Opfern sprechen und weinen, ohne verurteilen und ausschließen zu müssen.
WIR haben genauso Anteil an der hellen Seite des menschlichen Bewusstseins und diese helle Seite wird reich und weit, wenn sie gelernt hat, die Dunkelheit zu umarmen. Ich habe erfahren, dass diese Umarmung erst dann wirklich in uns verankert ist, wenn wir in die tiefste Dunkelheit gehen, ja dazu sagen und dass WIR von ganzem Herzen meinen.
Erst dann sind wir als Menschen frei. Das Geschenk dieses Weges ist, dass wir die bewegte Gegenwart, in der wir leben, ohne Angst und Abwehr annehmen und für uns kreativ gestalten können. So wird eine schwierige Zeit zu einem fruchtbaren Abenteuer.“
Ein Gedicht von Anja Sve wollen wir an dieser Stelle noch mit Ihnen teilen:
Gerade jetzt
Vielleicht ist jetzt nichts so wichtig
wie unsere Hoffnung.
Vielleicht müssen wir gerade jetzt
unsere ganze Energie sammeln
und zusammen die Welt erträumen,
in der wir gerne leben möchten,
mit all unserer geballten Vorstellungskraft.
So wie eine Blumenzwiebel im Winter
ihre Energien sammelt,
um im Frühling
den ihr eingepflanzten Traum
erblühen zu lassen.
Lasst uns ein Paradies visualisieren,
in dem Frieden undiskutierbar ist,
weil die Frage danach nicht mehr existiert,
weil wir schon in der Antwort leben,
weil dort Frieden wie die Luft ist, die wir atmen.
Lasst uns gemeinsam den Raum schaffen,
in dem unsere Träume nicht nur in unseren Köpfen sind,
sondern mit dem Herzen gelebt werden,
so wie früher,
als wir noch als unbeschwerte Kinder
die Dinge zum Leben erwecken konnten.
All we are saying is „Give peace a chance.“
(Anja Sve)
Zum „Sofort-Üben“: Was sind Ihre Gedanken und Emotionen zu diesem Film? Auf welche Ihrer Bedürfnisse macht der Film Sie aufmerksam? (Unsere Gedanken, Emotionen und Bedürfnisse dazu finden Sie am Ende des Coachingbriefes.)
Wochenaufgabe: Welche Entscheidungen und Handlungen in Ihrem Leben bedauern sie oder verurteilen Sie sogar? Nehmen Sie sich diese Woche einmal dafür Zeit. Schreiben Sie alle Situationen auf, an die Sie sich erinnern. Und dann gehen Sie jede einzelne durch. Welche Bedürfnisse haben Sie damals bewogen so zu handeln oder so zu entscheiden. Und welche Bedürfnisse sind noch bis heute dabei unerfüllt geblieben? Lassen Sie Ihre Beweggründe in Ihr Herz sinken und erlauben Sie sich die Bedeutsamkeit dieser Bedürfnisse. Nutzen Sie dazu ruhig eine Bedürfnisliste und spüren Sie den Begriffen innerlich nach. Achten Sie dabei auf Ihre Emotionen. Sie weisen Ihnen den Weg zu sich selbst.
Aktuelles
Weitere Seminare
29.04.2022 Wandeltage 2022 – Jahresausbildung (6 Module, 18 Tage, 1 Platz frei)
21.05.2022 GFK-Tag in Erfurt: https://www.gfk-info.de/seminar/gfk-tage-in-erfurt/
30.05.2022 Einführung in die GfK in Erfurt Jugendberufshilfe Thüringen e.V. (2 Tage)
14.06.2022 Trainer(innen)ausbildung in Präsenz (TTT 41, 4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
12.08.2022 Einführung „Gewaltfreie Kommunikation“ im Kloster Vierzehnheiligen (2,5 Tage)
04.09.2022 Bildungsurlaub „GfK und Führung“ in Dießen am Ammersee (5Tage)
20.10.2022 Trainer(innen)ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
27.11.2022 Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
06.01.2023 Wandeltage 2023 Online – Jahresausbildung GFK (6 Module á 3 Tage)
08.02.2023 Systemisches Konsensieren (Ausbildung Moderation von Gruppenentscheidungen)
06.05.2023 Wandeltage 2023 Präsenz –(6 Module à 3 Tage)
Weiteres finden Sie auf unserer Website:
Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
http://www.ab-ins-kloster.de
© Copyright Anja Palitza & Olaf Hartke
Unsere Gedanken, Emotionen und Bedürfnisse zur Sofort-Üben-Aufgabe:
Wir sind dankbar, dass es Menschen gibt, die sich den Menschen in Gefängnissen zuwenden. Die ihr Herzen öffnen und dabei auch die Auseinandersetzung mit sich selbst zulassen. Uns ermutigt und bestärkt es, dass wir im Mitgefühl mit uns selbst und mit anderen in die Liebe zurückfinden und dabei Veränderungen entstehen lassen können.
Wir sind gleichfalls so dankbar, dass die Häftlinge sich zu Filmaufnahmen bereit erklärt haben. So wird es für uns leichter, auch in Straftätern wieder die Menschen zu sehen und uns mit deren Menschlichkeit zu verbinden. Das ermöglicht uns, unsere eigene Menschlichkeit zu leben.