Liebe Leserin, lieber Leser,
ja, tatsächlich – Gefängnisse könnten eine prima Sache sein. WENN! Wenn man sie in einer anderen Intention nutzen würde, als dies überwiegend getan wird. Mehr dazu im Folgenden.
Herzliche Grüße, diese Woche von uns beiden aus Jena
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Gefängnisse wären eine prima Sache, wenn…
Zitat: „Je mehr ein System von Strafen organisiert ist, desto mehr wird sich darin ein knechtischer Sinn entwickeln.“
(Friedrich Schleiermacher, 1768-1834, Theologe, Philosoph und Pädagoge)
Beispiel: Mein Friseur schilderte mir neulich ein Erlebnis aus dem Linienbus. Er sprach eine Gruppe von Jugendlichen auf ihr Verhalten an und statt ihr Verhalten zu ändern, wurde er – ein kleiner Mann von fast 70 Jahren – am Ende des von beiden Seiten von Beginn an gewaltvoll geführten Dialoges von den vier Jugendlichen bedroht. Diese Begegnung hat ihn lange beschäftigt und sehr aufgewühlt.
„Dass Jugendliche für Ältere aufstehen, das erwarte ich ja schon gar nicht mehr. Aber wenn sie dasitzen und ihre dreckigen Schuhe auf die Sitze stellen – das kann man doch nicht dulden. Lässt man sowas durchgehen, dann lernen die doch, dass sie sich benehmen können wie sie wollen. Und so was kommt dann dabei raus. Drohen mir Schläge an, wenn ich aussteige. Es müssen viel härtere Strafen her. Geld haben sie ja nicht, aber die Handys könnte man ihnen wegnehmen. Oder ein Wochenende im Knast – das würde sicher helfen.“
Information: Vorab: Dieser Coachingbrief soll kein Plädoyer für eine Veränderung unseres Rechtssystems sein; schon gar nicht für die Abschaffung von Gefängnissen. Unsere Fachkenntnis zu diesem Thema ist gering. Wir möchten Ihnen vielmehr die nicht mehr ganz utopische Idee einer möglichen Alternative vorstellen, die es in einer achtsameren Welt geben könnte.
Marshall Rosenberg sagte zum Thema „Gefängnisse“ sinngemäß, dass wir in unserer Gesellschaft sicherlich Gefängnisse benötigen. Und zwar deshalb, weil wir als Gesellschaft sicherstellen wollen, dass alle Menschen geschützt sind vor den Menschen, denen es noch nicht gelingt, die Bedürfnisse aller zu wahren. Gefängnisse können dienen zum Schutz derer, die sich an die geltenden Regeln halten (das Strafgesetzbuch der BRD, StGB), vor denen, die die Regeln nicht einhalten. Das ist sinnvoll. Doch, so Rosenberg weiter, Gefängnisse mit der Idee zu betreiben, dass die Insassen durch die Strafe an sich einsichtig werden und die Strafanstalt geläutert wieder verlassen, das sei sinnlos.
In diesem Zusammenhang erzählte er auch häufig von einer Erkenntnis, die er während seiner Arbeit in Afrika gewann. Sein afrikanischer Übersetzer sagte ihm damals, es falle ihm schwer, das Wort „Strafe“ in die Stammessprache zu übersetzen, weil es das Konzept von „jemanden bestrafen“, bei seinem Volk gar nicht gebe. Rosenberg war verwundert und fragte, wie denn die Dorfgemeinschaft damit umgehe, wenn sich jemand auf eine Weise verhält, mit der er anderen schadet.
Der Übersetzer erklärte daraufhin, dass die Menschen, die sich nicht an die Regeln des Dorfes halten, von allen anderen in ihre Mitte gesetzt werden und das ganze Dorf setzt sich im Kreis um sie herum. Man heißt den Menschen in der Mitte willkommen und dann erzählt man ihm, was er in der Vergangenheit getan hat, was den anderen Dorfbewohner gefallen hat und was sie unterstützt hat. Um ihm nochmal zu verdeutlichen, welche Verhaltensweisen hilfreich für alle sind und um ihn daran zu erinnern, dass er ein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft ist. Erst dann, wenn alle etwas gesagt haben und keiner mehr Weiteres sagen möchte, wird der Kreis aufgehoben und alle zusammen feiern ein großes Fest, das mehrere Tage dauern kann.
Rosenberg sagte, es habe ihn sehr betroffen gemacht, als er daran dachte, wie wir in der zivilisierten Welt mit Menschen umgehen, die sich nicht an Regeln gehalten haben und die wir wieder in die Gemeinschaft integrieren wollen.
„Was machen wir mit diesen Menschen“, fragte Marshall auch Anja und mich 2009 in einem Training in der Schweiz. Und seine eigene Antwort auf die rhetorische Frage trieb mir damals Tränen in die Augen (Und das macht sie auch heute, fast zehn Jahre später immer noch, bemerke ich gerade.)
„Was machen wir mit Menschen, die die Regeln unserer Gemeinschaft nicht einhalten? – Wir sperren sie in eine Zelle oder nehmen ihnen ihr Geld weg. Und wenn Sie die Regeln das nächste Mal nicht einhalten, dann sperren wir sie länger ein oder nehmen ihnen noch mehr Geld weg. Und dann erwarten wir von ihnen, dass sie sich dadurch wieder als unterstützendes Mitglied unserer Gemeinschaft verhalten werden.“
Nun zur nicht mehr utopischen Idee der Alternative aus einer achtsameren Welt:
Man kann auch anders mit „Straffälligen“ umgehen. Oder gewaltfrei ausgedrückt: Man kann auch anders mit Menschen umgehen, denen es in bestimmten Situationen nicht gelungen ist, die Bedürfnisse anderer Menschen zu wahren.
Die Idee hat einen Namen und heißt „Restorative Justice“; auf Deutsch „Wiederherstellende Justiz“ (im Sinne von „Wiederherstellen von Gerechtigkeit“) und das Konzept wird an vielen Orten weltweit bereits praktiziert.
Mehr darüber finden Sie u.a. bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Restorative_Justice
Der GFK-Trainer Dominik Barter ist in Südamerika mit seinem Konzept des „Restorative Circle“ seit vielen Jahren sehr wirksam und beweist nachhaltig die Praxistauglichkeit der „Restorative Justice“. Mehr darüber: http://www.kreisgespraeche.org/einleitung/
Und noch einmal zurück zu unserer Überschrift:
„Gefängnisse wären eine prima Sache, wenn…“
Wenn wir sie nicht mit der Intention des „Verändern von Menschen durch Strafe“ betreiben würden, sondern sie als Einrichtungen gestalten würden, in denen Menschen, die sich nicht an wichtige Regeln gehalten haben, Unterstützung darin finden, dies zu tun. Indem man sie in einem Lernprozess begleitet, in dessen Verlauf sie erkennen, welche Bedürfnisse zu ihren Handlungen (Strategien) geführt haben und wie sie sich mit anderen Strategien diese Bedürfnisse ebenfalls erfüllen können. Für sie geeignete Strategien, die die Bedürfnisse der anderen Menschen nicht verletzten.
Aktuelles: Lange haben wir allen Social-Media-Angeboten getrotzt. Nun sind wir doch aktiv geworden:
https://www.facebook.com/anja.palitza.3
https://www.facebook.com/olaf.hartke
Wer mag, findet da ab und zu auch „alltägliche“ Gedanken zur kommunikativen Gewaltfreiheit in Familie und Beruf. Und natürlich auch zur Gewaltfreiheit im Umgang mit sich selbst.
Termine:
26./27.01.2018 in Arnsberg, Einführungsseminar – Ausgebucht
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22.-26.02.2019 – NEU – zum 10-jährigen Jubiläum auf der Hohgant-Hütte
Exklusiv für Paare – Die Schneeschuhwanderung mit Paar-Themen im GFK-Seminar
Vier Paare sind angemeldet, ein Paar-Platz ist noch frei.
https://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/m05_gewaltfrei_leben_hohgant_paare.php
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27.02.-03.03.2019 – Wie gewohnt in 10-jähriger Tradition auf der Hohgant-Hütte
Das Leben lieben lernen – Gewaltfrei leben – Die Schneeschuhwanderung für Einzelpersonen und Paare mit allgemeinen Lebens-Themen im GFK-Seminar.
https://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/m05_gewaltfrei_leben_hohgant.php
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Weitere Termine im Jahr 2019
22.02.2019 Gewaltfrei leben – Seminar für Paare auf der Hohganthütte
27.02.2019 Gewaltfrei leben – Seminar auf der Hohganthütte
31.03.2019 Bildungsurlaub auf der Nordseeinsel Baltrum
07.04.2019 Bildungsurlaub auf der Nordseeinsel Spiekeroog
26.04.2019 Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation in Bad Heiligenstadt
19.05.2019 Bildungsurlaub für Führungskräfte am Ammersee im Allgäu
14.06.2019 Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation in Berlin
21.09.2019 Einführungsseminar Gewaltfreie Kommunikation in Jena
06.10.2019 Bildungsurlaub auf der Nordseeinsel Baltrum
16.11.2019 Vertiefungsseminar Gewaltfreie Kommunikation in Jena
29.11.2019 Vertiefungsseminar Gewaltfreie Kommunikation in Berlin
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