Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
in den letzten beiden Wochen habe ich (Olaf) mich mehrfach mit einem Webinar zum Thema „Willenskraft“ beschäftigt (siehe unten). Eine Frage zum Thema „Scheitern ist ein Denkfehler“ wurde von Teilnehmern mehrfach gestellt und vielleicht interessiert Sie auch eine Antwort darauf. Mehr dazu im Folgenden.
Herzliche Grüße aus Jena und Bielefeld
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Scheitern ist ein Denkfehler
Zitat: „Ich bin nie gescheitert. Ich habe nur 10.000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“ (Thomas Edison über seine jahrelangen Experimente mit dem elektrischen Licht.)
Beispiel: Im Webinar zum Thema „Willenskraft stärken“ geht es u.a. auch um den Umgang mit etwas, von dem wir gelernt haben, es „Scheitern“ zu nennen. Die Sichtweise, die wir durch das Modell Gewaltfreie Kommunikation dazu haben, ist für manche Menschen sehr neu und nicht leicht nachvollziehbar.
Information: Im Webinar lautet eine Überschrift auf einer Präsentationsfolie „Scheitern als einen Denkfehler erkennen“. (Etwas „GFK-konformer“ müsste es heißen: „Scheitern als eine bestimmte Art von Denken erkennen.“ „Fehler“ gibt es ja mit dieser Sichtweise ebenfalls nicht.)
Und da war dann in den Webinaren jedes Mal die entscheidende Frage im Raum „Gibt es ein Scheitern oder gibt es Scheitern nicht?“
Im Teilnehmer-Chat von mehreren Webinar-Terminen habe ich diese Fragen bzw. Aussagen erhalten – teilweise mit mehreren Ausrufungszeichen:
- „Ich weiß, dass es Scheitern gibt – ich sehe es doch jeden Tag bei mir und anderen.“
- „Wenn Sie wüssten, was ich schon alles mit XY versucht habe, dann würden Sie es auch als Scheitern sehen.“
- „Redet man sich damit das Scheitern nicht einfach nur schön?“
- „Will man sich mit dieser Sichtweise nicht einfach nur aus der Verantwortung ziehen?“
- „Wenn man sein Scheitern nicht anerkennt, kann man auch nicht an der Aufgabe wachsen.“
Grundlegend sagen wir dazu auch in Trainings erstmal:
„Scheitern“ ist im Verständnis Gewaltfreier Kommunikation eine Bewertung. Dazu eine Bewertung, die es häufig nach sich zieht, dass die „scheiternde“ Person weitere urteilende Gedanken von anderen über sich hört oder sogar selbst denkt. (Ich kann das nicht. Ich bin nicht diszipliniert genug. Ich habe wieder versagt…)
Bewertungen und Urteile sind jedoch immer eine persönliche Meinung oder Überzeugung, keinesfalls so etwas wie eine „wirkliche Realität“. Man kann es auch anders bewerten – siehe Edison im obigen Zitat.
Betrachten wir „Scheitern“ als einen Prozess durch die „GFK-Brille“, dann können wir – um annähernd so etwas wie Realität zu beschreiben – folgende Beobachtungen haben:
Jemand möchte sich ein Bedürfnis erfüllen, wählt dazu eine geeignet erscheinende Strategie aus und führt sie durch. Das Bedürfnis erfüllt sich nicht, weil die gewählte Strategie nicht zum beabsichtigten Ergebnis führt. Hier könnte man schon beginnen, diesen Prozess als „Scheitern“ zu bewerten. Wir gehen noch einen Schritt weiter:
Die Person wiederholt die Strategie mehrfach, verändert dann die Strategie, probiert noch ganz andere Strategien und ist anschließend, frustriert, enttäuscht und gibt genervt von sich selber das Vorhaben auf. Ist die Person gescheitert?
Nach unserem Verständnis nicht. Was wir beobachten können ist: Sie hat sich bis auf weiteres entschieden, keine weiteren Strategien anzuwenden, um sich ihr Bedürfnis zu erfüllen. Ja, sie wirkt frustriert, enttäuscht und genervt. Die Gefühle sind echt. Das Urteil hingegen teilen wir nicht – wir sehen darin eine Entscheidung. Entweder getroffen, weil der Person keine weiteren Strategien mehr einfallen – doch dann wäre sie eher ratlos oder hilflos – oder getroffen, weil für die Person der Aufwand der Strategieausübung und der sich bis dahin wiederholende Schmerz der Enttäuschung in der Projektion auf ihre Zukunft schlimmer anfühlt, als das Aushalten des sich nicht erfüllenden Bedürfnisses.
Das diese Sichtweise in den Webinaren zu den zweifelnden Chat-Rückmeldungen führte, ist für uns nachvollziehbar. Das Bild vom „Scheitern“ als Begrifflichkeit für den beschriebenen Prozess ist weit verbreitet und man versteht sofort, was gemeint ist.
Das könnten wir auch so stehen lassen, wenn nicht… Ja, wenn nicht… was?
Wenn nicht so häufig damit einherginge, dass Menschen die subjektiv „scheitern“, objektiv – sie sagen es oft selbst“ – darunter sehr leiden und manchmal sogar ihr Bild von sich selbst Schaden dabei nimmt. Und sie sich in der weiteren Folge weniger zutrauen, trotzdem subjektiv wieder „scheitern“ und immer weniger Veränderung vornehmen.
Da wir an die Entwicklungsmöglichkeiten der Menschen glauben, weil sie uns in Trainings und Coachings ja auch immer wieder ihre Potenziale zeigen und sich verändern, fällt es uns schwer, ein „Scheitern“ anzuerkennen. Wir nennen es:
Im Moment keine Möglichkeit sehen, das angestrebte Ergebnis mit persönlich vertretbarem Aufwand zu erreichen und deshalb die ressourcenschonende Entscheidung treffen, mit weiteren Strategietests zu pausieren, bis neue Erkenntnisse eine erfolgversprechende Umsetzung wahrscheinlicher machen.
Wochenaufgabe: Wenn Ihr Gehirn Gedanken von „Scheitern“ formt – übersetzen Sie es bewusst nochmal und denken Sie auch die oben vorgeschlagene Denk-Alternative einmal durch:
„Ich wollte X erreichen und habe dazu Y (mehrfach und V,W und Z vielleicht auch) geleistet. Erreicht habe ich X damit nicht und das bedaure ich. Ich entscheide mich (vorübergehend?) X (bis auf weiteres) nicht zu verfolgen. Mit dieser Entscheidung erfülle ich mir Bedürfnisse.
Zum „Sofort-Üben“: Nanu – welche Bedürfnisse erfüllt denn die Entscheidung, ein Vorhaben nicht weiter umzusetzen? (Unseren Vorschlag dazu finden Sie am Ende des Coachingbriefes)
Aktuelles
Webinar
Die Willenskraft stärken und Vorsätze umsetzen
Passiert es Ihnen auch, dass Sie Ihre guten Vorsätze und vernünftigen Vorhaben manchmal nicht umsetzen und dann mit sich selbst hadern? In diesem Webinar erfahren Sie mehr über die Grundlagen der Willenskraft und wie man sie trainieren kann.
Termine und Anmeldung:
Montag, 07.02.2022 um 8.00 Uhr
Mittwoch, 16.02.2022 um 18.00 Uhr
https://www.edudip.market/w/400708
Jeden Montag, ab 07.03.2022 darauf aufbauend: 10-wöchiges Online-Training (10x 60 Minuten) zur Begleitung Ihrer Veränderungen und zum Etablieren neuer Gewohnheiten.
Weitere Seminare
25.02.2022 Schneeschuhwanderung Hohganthütte, Einzelteilnehmende und Paare (4,5 Tage)
(Unter 2G-Bedingungen. Durch das Zusammenlegen der Termine sind nur noch wenige Plätze frei.)
11.03.2022 Wandeltage 2022 – Jahresausbildung (WT 3, 6 Module, 18 Tage) (3 Plätze frei)
20.03.2022 Bildungsurlaub Einführung GfK Baltrum (Warteliste)
27.03.2022 Bildungsurlaub Einführung GfK Baltrum (5 Tage)
21.05.2022 GFK-Tag in Erfurt: https://www.gfk-info.de/seminar/gfk-tage-in-erfurt/
30.05.2022 Einführung in die GfK Erfurt Jugendberufshilfe Thüringen e.V. (2 Tage)
14.06.2022 Trainerinnenausbildung in Präsenz (TTT 41, 4 Module, 20 Tage – Trainerteam)
04.09.2022 Bildungsurlaub GfK und Führung in Dießen am Ammersee (5Tage)
27.11.2022 Bildungsurlaub Einführung GfK Spiekeroog (5 Tage)
Weiteres finden Sie auf unserer Website:
https://erfolgsschritte.de/seminare-trainings/termine.php
Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
Internet: http://www.ab-ins-kloster.de
Mail: anja.palitza@t-online.de
© Copyright Anja Palitza & Olaf Hartke
Unser Vorschlag
Wenn wir uns entscheiden, bestimmte Vorhaben nicht weiter zu verfolgen, dann „Scheitern“ wir nicht, sondern wir entscheiden uns damit für die Erfüllung dieser Bedürfnisse:
- Schutz vor möglichen weiteren Enttäuschungen und Frustrationen
- Sichern von Ressourcen (Zeit, Geld, Arbeitskraft, Kreativität) für andere Dinge
- Leichtigkeit, die sich nach einem (vorübergehend) abschließenden Bedauern leichter wieder einstellen kann
Diese Denkweise ist wirklich schwer nachvollziehbar.
Für mich ist Scheitern gleich verlieren, versagen.
Man kann sich das schön reden, aber das hilft nicht weiter.
Das Problem ist das (von Ihnen empfohlene ) Aufgeben.
Man darf niemals, niemals und niemals aufgeben (Winston Churchill).
Klar, der Preis steigt, es wird mehr Frust und Selbszweifel und Geld kosten, jeder Schritt schmerzt.
Edison hat nicht aufgegeben.
Solche netten Aphorismen wie, „tausend Arten, wie es nicht geht – LOL“, kann man, wenn man am Ende erfolgreich war, seinen Enkeln erzählen.
Wenn man aufgegeben hat, will sie keiner hören, am wenigsten man selbst.
Es ist doch abwegig zu glauben, dass Jesus das Ziel hatte, zu Tode gefoltert zu werden.
Er ist gescheitert.
Aber er hat nicht aufgegeben.
Do or die.
Diese (überaus bittere) Konsequenz ginge selbst mir zu weit, aber er hat es durchgezogen und deshalb lebt seine Idee noch heute (er bedauerlicherweise nicht mehr).
PS: Meine Frau leitet mir immer Ihre Newsletter weiter, die ich sehr inspirierend finde.
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