Was ist GFK

Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg – leicht lernen:

Grundlagen mit Beispielen, Übungen & mehr mit dem Modell Gewaltfreie Kommunikation – Entdecke unser kostenloses Angebot, ein gewaltfreies Miteinander nach Marshall Rosenberg zu gestalten.

1. Eine kleine Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg? – 

Wir freuen uns, dass Sie sich für das Modell interessieren und möchten Ihnen die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation und die Haltung der GFK kurz und verständlich vorstellen. Sie erfahren etwas über die grundlegenden Aspekte der Gewaltfreien Kommunikation und wir laden Sie ein, die neuen Erkenntnisse gleich im Alltag mit praktischen Übungen auszuprobieren.

Dies sind die grundlegenden Themenbereiche, die wir hier aufgreifen werden:

  1. Grundhaltung: – Wie Sie eine Basis für Kooperation schaffen
  2. Beobachtungen: Wie Sie ganz leicht viele lange und beschwerliche Diskussionen vermeiden.
  3. Gefühle: Wie Sie mit Ihrer Lebendigkeit in Kontakt kommen.
  4. Bedürfnisse: Wie Sie Ihren Ärger verwandeln.
  5. Bitten: Wie Sie erfolgversprechende Bitten formulieren

Die Haltung der Gewaltfreien Kommunikation

  • Menschen sind gleichwertig und haben auch gleiche Gefühle und Bedürfnisse. Nicht immer zur selben Zeit und nicht in derselben Intensität. Doch jeder kennt Gefühle wie zum Beispiel Freude, Angst und Ärger oder Bedürfnisse wie Hunger, Ruhe und Selbstbestimmung.
  • Menschen sehnen sich nach der Befriedigung ihrer Bedürfnisse und schöpfen daraus ihre Motivation zum Handeln. Wir alle versuchen zu jeder Zeit dafür zu sorgen, dass es uns „besser geht“.
  • Menschen zeigen ihre Bedürfnisse manchmal auf eine für andere unverständliche Weise. Dass jemand der Hunger hat Nahrung stiehlt, ist noch verständlich. Schwieriger zu verstehen wird es, wenn wir sehen, dass jemand, der Ruhe braucht, sein Kind schlägt.

Die Prinzipien der GFK erschließen sich häufig erst in einem intensiven Austausch. Dafür nehmen wir uns in unseren Seminar ausführlich Zeit und viele Teilnehmer gewinnen ein ganz neues Verständnis für die Handlungen ihrer Mitmenschen. 

Und ganz wichtig an dieser Stelle: Andere zu verstehen heißt keinesfalls, mit ihren Handlungen einverstanden zu sein. Mit Verständnis fällt es jedoch leichter, eine wertschätzende Einstellung gegenüber dem anderen zu behalten und Lösungen zu finden, die beide akzeptieren können.

Gleichwertigkeit im Sinne der Gewaltfreien Kommunikation bedeutet, die eigenen Bedürfnisse nicht über die Bedürfnisse des anderen zu stellen. Höhere Positionen in einer Hierarchie werden nicht dafür genutzt, Macht gegenüber „Untergebenen“ oder Kindern auszuüben. Es werden vielmehr gemeinsame Lösungen gesucht, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen. Bei einem Ungleichgewicht der Bedürfniserfüllung treten schnell Verhaltensweisen auf, die wir dann „Widerstand“ nennen. Bei Kindern nennen wir es auch Trotz und Bockigkeit; bei Mitarbeitern Demotivation oder Verweigerung.

Die Berücksichtigung der Bedürfnisse beider Seiten fördert die freiwillige Kooperation zwischen Menschen. Beide Seiten erleben sich als gleichwertig, gleichberechtigt und in einem fairen Umgang miteinander.

Beispiele aus dem Alltag
Was bedeutet das konkret für unseren privaten und beruflichen Alltag?

Beispiel 1: Der fünfjährige Jörg sitzt mit seinen Eltern beim Frühstück. Mehrmals steht er während der Mahlzeit auf, um seine Spielzeugautos auf dem Teppich ein kleines Stück weiter fortzubewegen.

Die Mutter erkennt, dass Jörg spielen möchte (Bedürfnis: Freude, Spaß) und bemerkt gleichzeitig, dass es ihr selbst wichtig ist, dass Jörg die Mahlzeit beendet, weil sie gleich mit ihm zum Kinderarzt möchte (Bedürfnis: Verlässlichkeit im Bezug auf Termine).

Die Mutter könnte in dieser Situation das Kind zwingen mitzukommen, es bestrafen oder es durch eine Belohnung locken. Der Mutter ist jedoch wichtig, dass ihr Bedürfnis und das ihres Kindes gleichermaßen zählen. Daher bespricht sie mit Jörg, wie sie pünktlich das Haus verlassen können. Durch das Einbeziehen des Kindes erhöht sie die Chance auf ein kooperatives Verhalten. Mit Jörg überlegt sie, ob er sein Spiel jetzt beenden kann oder ob er seine Autos mit in die Arztpraxis nehmen möchte. Er entscheidet sich schließlich dafür, später weiterzuspielen. 

Beispiel 2: Es ist bereits spät und Matthias ist im Begriff Feierabend zu machen. Er ist müde und freut sich auf einen Saunagang und darauf, anschließend ins Bett zu gehen. Frank, sein Vorgesetzter, kommt ins Büro, legt einen Aktenordner auf Matthias Schreibtisch und bittet ihn, heute noch eine Vertragskorrektur fertigzustellen und per Mail an einen Anwalt zu senden.

Frank nimmt wahr, dass Matthias kurz zögert bevor er zustimmt und dann niedergeschlagen wirkt. Er fragt Matthias, ob er wirklich einverstanden ist oder ob etwas dagegen spricht, heute länger zu machen. Matthias sagt, er sei eigentlich müde, wolle noch in die Sauna, um dann früh schlafen zu gehen. Frank überlegt einen Moment und fragt Matthias, ob es für ihn möglich sei, jetzt in die Sauna zu gehen und stattdessen morgen früher zu kommen. Es sei wirklich wichtig, dass die Unterlagen morgen früh beim Anwalt vorlägen.

Theorie und Praxis
Hand aufs Herz: Wie viele Bücher haben Sie schon gelesen, die Ihnen zwar eine Menge neues Wissen verschafft haben, die aber Ihr Leben nicht wesentlich verändert haben? Oft greift man nach der Lektüre zum nächsten Buch oder fragt den nächsten Experten.

Wenn Sie Veränderung wünschen, dann setzen Sie die folgenden Aufgaben um. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie diesmal Veränderungen wahrnehmen. Wenn eine Veränderung für Sie noch nicht so wichtig ist, dann lassen Sie die Aufgaben aus.

Unsere Vorschläge für praktische Übungen 

  1. Halten Sie inne, sobald Sie den Impuls verspüren, Ihre Bedürfnisse wichtiger zu nehmen als die der anderen beteiligten Personen.
  2. Besinnen Sie sich auf die Werte „Gleichwertigkeit“ und „Gleichberechtigung“.
  3. Vermeiden Sie es, Ihre Bedürfnisse durchzusetzen, indem Sie andere durch Strafen oder Belohnungen manipulieren.
  4. Gestatten Sie sich für einen Moment das Gefühl von Ratlosigkeit.
  5. Fragen Sie Ihr Gegenüber: Wie bekommen wir es hin, dass du ABC und ich XYZ haben/leben/machen/erreichen/bekommen kann?
  6. Seien Sie gespannt auf die Reaktion Ihres Gegenübers.
  7. Bleiben Sie dabei beharrlich, auch wenn Sie nicht sofort eine gemeinsame Lösung finden.
  8. Sagen Sie Ihrem Gegenüber, dass es Ihnen darauf ankommt, seine Bedürfnisse genauso wichtig zu nehmen, wie Ihre eigenen.

2. Warum Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg lernen? – Vorteile und Anwendungsbereiche

Gewaltfreie Kommunikation zählt heute zu einen der wirksamsten Kommunikationsmethoden, um Beziehungen zu stärken, Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu lösen und ein tieferes Verständnis für sich selbst und andere zu entwickeln. Doch warum lohnt es wirklich, sich mit dem Modell mehr zu beschäftigen? Welche konkreten Vorteile bringt sie im Alltag, im Beruf, in der Familie oder im Umgang mit Auszubildenden, Klient:innen oder Kund:innen?

Beziehungen verbessern – ein Schlüssel zu tiefer Verbindung
Eine der häufigsten Motivationsgründe, ist der Wunsch nach besseren Beziehungen. Dabei geht es nicht nur um Partnerschaften, sondern ebenso um Freundschaften, Familienbeziehungen, Arbeitsbeziehungen oder Kontakte im pädagogischen und sozialen Umfeld.

Empathische Kommunikation statt Missverständnisse
Die meisten Streits entstehen nicht, weil Menschen böse Absichten haben – sondern weil sie sich missverstanden erleben oder nicht wissen, wie sie ihre Bedürfnisse ausdrücken können, ohne anderen Schuld zuzuweisen. Gewaltfreie Kommunikation setzt genau hier an:

  • Sie hilft, eigene Gefühle und Bedürfnisse klarer wahrzunehmen.
  • Sie macht unausgesprochene Erwartungen sichtbar.
  • Sie schafft Raum für echte Begegnung statt für Verteidigungshaltungen.
  • Sie ermöglicht es, dass Menschen leichter zuhören, bevor sie reagieren. 
  • Sie trägt dazu bei, dass die Perspektive anderer weniger als Angriff gesehen wird.
  • Sie schafft eine reibungslose Kommunikation und Konfliktbewältigung.

Nähe und Vertrauen wachsen
Wenn Menschen merken, dass sie gehört und verstanden werden – nicht bewertet, nicht analysiert und nicht kritisiert – entsteht Vertrauen. Dieses Vertrauen ist die Grundlage jeglicher guter Beziehung: privat wie beruflich. GFK fördert:

  • Ehrlichkeit mit Herz, die nicht verletzt
  • Transparenz, die Sicherheit schafft
  • Zuhören, das Verbindung herstellt
  • Respekt, der nicht erzwungen werden muss

Dadurch entstehen Beziehungen, die nicht von Angst, Schuld oder Erwartungsdruck geprägt sind, sondern von gegenseitigem Verstehen.

Mehr Gelassenheit im Umgang miteinander
Viele Menschen erleben im Alltag Situationen, in denen sie „überreagieren“, schneller genervt sind oder sich schnell angegriffen fühlen. GFK hilft, das eigene Nervensystem zu beruhigen, indem sie Struktur in die Kommunikation bringt. Sobald Gefühle und Bedürfnisse erkannt sind, verlieren Situationen die Schärfe und werden „klärbar“.

Warum GFK ein wirksames Friedenswerkzeug ist
Auseinandersetzungen gehören zum Leben. Entscheidend ist nicht, ob sie auftreten, sondern wie wir mit ihnen umgehen. Gewaltfreie Kommunikation bietet ein klares, nachvollziehbares und effektives Werkzeug zur Konfliktlösung – sowohl im Kleinen als auch im Großen.

Weg vom Schuldspiel – hin zur Verantwortung
Eskalationen entstehen oftmals, weil Menschen Schuldzuweisungen austauschen („Du bist schuld, dass…“), statt ihre Bedürfnisse auszudrücken. Stattdessen ist es hilfreich die Schuldfrage durch eine Bedürfnisfrage zu ersetzen:

  • Was brauche ich gerade?
  • Was braucht der andere?
  • Wie kann beides berücksichtigt werden?

Dieser Perspektivwechsel ist transformierend – sowohl im privaten Bereich als auch im beruflichen Kontext.

Deeskalation durch Klarheit und Empathie
GFK zeigt, wie Auseinandersetzungen entschärft werden können:

  • durch Beobachtungen statt Bewertungen
  • durch ehrliche Gefühle statt Vorwürfe
  • durch Bedürfnisse statt Forderungen
  • durch Bitten statt Forderungen

So entsteht ein Raum, in dem Menschen sich offen äußern können, ohne Angst vor Verurteilung.

Win-Win-Lösungen statt Kompromisse
Während Kompromisse häufig bedeuten, dass beide Parteien etwas aufgeben müssen, schafft GFK Wege zu Maßnahmen, bei denen alle Beteiligten gewinnen.

Beispiel:
Statt: „Dann arbeite ich halt eine Stunde länger, und du machst dafür diesen Bericht“
fragt man stattdessen: „Was ist mir wichtig? Was brauchst du? Welche Lösung erfüllt beide Bedürfnisse?“

Die Ergebnisse sind oft nachhaltige Lösungen, die nicht auf Frust oder Entbehrung basieren.

Beruflicher Nutzen – warum GFK eine Schlüsselkompetenz moderner Zusammenarbeit ist
In Unternehmen, handwerklichen Betrieben, Schulen oder sozialen Einrichtungen ist Kommunikation einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die gewaltfreien Methoden unterstützen sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende, Ausbilder:innen oder Kundendienstpersonal.

GFK in der Führung – motivieren statt kontrollieren
Wer führt, entscheidet maßgeblich über Arbeitszufriedenheit und Teamklima. GFK liefert dafür eine klare Haltung und effektive Werkzeuge.

Führungskräfte lernen:

  • Feedback fundiert und wertschätzend auszudrücken
  • schwierige Gespräche klar und verbindlich zu führen
  • Bedürfnisse von Mitarbeitenden zu hören und mit betrieblichen Anforderungen zu  verbinden
  • Eskalationen frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen
  • Mediation im Miniformat anzuwenden

Das Ergebnis: loyalere Mitarbeitende, weniger Belastung, bessere Zusammenarbeit.

GFK für Ausbilder:innen – Azubis wirklich erreichen
Gerade in der Ausbildungsarbeit ist GFK ein wertvoller Schatz:

  • Sie hilft, Erwartungen klar zu formulieren.
  • Sie verhindert, dass junge Menschen sich abgewertet fühlen.
  • Sie unterstützt, Grenzen zu setzen.
  • Sie stärkt die Motivation, weil Auszubildende sich gesehen und ernst genommen fühlen.

Viele Ausbilder:innen berichten, dass die veränderte Haltung hilft, ihre Rolle neu zu verstehen – nicht als Kontrolleur:innen, sondern als Lernbegleiter:innen. Das steigert Engagement und reduziert Frustrationen und innerer Kündigung führen können.

Eine klare Kommunikation im Team verhindert Reibung
Teams, die GFK nutzen, profitieren von:

  • weniger Missverständnissen
  • schnelleren Abstimmungen
  • mehr gegenseitigem Verständnis
  • einer Kultur, in der man Kritik äußern darf

Es schafft Vertrauen und Vertrauen stärkt Teams und ermöglicht bessere Leistungen.

Kundengespräche und Service
GFK hilft bei Kundenkontakten, weil sie klar macht:

  • Was ist mein Anliegen?
  • Was ist das Anliegen des Kunden?
  • Wie finden wir einen Weg, der beide Seiten berücksichtigt?

Besonders in emotional aufgeladenen Situationen kann eine empathische Haltung Wunder wirken.

Persönliche Entwicklung – Rosenbergs Modell als Weg zu innerer Klarheit
Neben dem Nutzen im Außen wirkt Gewaltfreie Kommunikation vor allem nach innen. Viele Menschen berichten, dass sich nicht nur der Umgang mit anderen verändert, sondern auch der Umgang mit sich selbst – und zwar tiefgreifend.

Selbstempathie – die Kunst, sich selbst zuzuhören
Viele reagieren in Stresssituationen mit Überforderung, innerer Härte oder Selbstkritik. Gehen Sie den neuen Weg in dem Sie bewusst:

  • Gefühle wahrnehmen
  • Bedürfnisse erkennen
  • sich damit selbst beruhigen und
  • innere Klarheit gewinnen

Wer Selbstempathie lernt, kann Konflikte besser regulieren, schneller entscheiden und gelassener bleiben.

Eigene Muster verstehen und verändern
Lernen Sie, typische nicht förderliche Reaktionsmuster erkennen, wie:

  • Rückzug
  • Angriff
  • Rechtfertigung
  • Harmonisierung

Statt diese Muster zu verurteilen, können Sie, ihre zugrunde liegenden Bedürfnisse verstehen lernen – und dadurch neue Wahlmöglichkeiten entwickeln. 

Mehr Authentizität im Alltag
Menschen, die am Modell dranbleiben und langfristig üben, berichten:

  • Sie äußern Bedürfnisse klarer.
  • Sie stehen mehr zu sich selbst.
  • Sie können Nein sagen, ohne schlechtes Gewissen.
  • Sie nehmen Kritik weniger persönlich.
  • Sie ärgern sich deutlich weniger.
  • Sie reagieren gelassener, wenn andere provozieren.
  • Sie spüren viel mehr Dankbarkeit im Leben.
  • Sie können die Fülle, in der sie leben viel leichter wahrnehmen.
  • Sie haben viel weniger Missverständnisse mit anderen.
  • Sie erfahren mehr Kooperationsbereitschaft von anderen.
  • Sie werden häufiger in Gesprächen im Kern verstanden.

Dadurch wird das gesamte Leben leichter.
Gewaltfreie Kommunikation ist keine Theorie, die im Seminarraum bleibt. Sie ist ein Werkzeug für jeden Lebensbereich.

Gewaltfreie Kommunikation in der Partnerschaft

  • Streit deeskalieren
  • Nähe und Vertrauen stärken
  • Bedürfnisse ausdrücken
  • ohne Schuld und Vorwürfe kommunizieren
  • Verbundenheit stärken mit einer empathischen Gesprächsführung

Gewaltfreie Kommunikation mit Kindern und in der Familie

  • Spannungen zwischen Geschwistern begleiten
  • klare Grenzen setzen, ohne Strafen
  • Kinder stärken, statt sie zu lenken
  • Eltern senken ihr Stresslevel

Gewaltfreie Kommunikation in der Ausbildung & in der Schule

  • Umgang mit herausforderndem Verhalten
  • Motivation stärken
  • klare Erwartungen kommunizieren
  • wertschätzendes Feedback geben

Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz

  • Feedback geben
  • Konflikte lösen
  • Teamkommunikation verbessern
  • Führung stärken
  • Miteinander statt Gegeneinander

In sozialen, therapeutischen und pflegerischen Berufen

  • mit emotionalen Situationen umgehen
  • empathisch bleiben unter Druck
  • Grenzen klar formulieren
  • Schuldgefühle reduzieren

Gewaltfreie Kommunikation im Freundeskreis und Alltag

  • Missverständnisse klären
  • Erwartungen ansprechen
  • echte Nähe statt Oberflächlichkeit
  • Konflikte entspannt lösen

3. Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Beobachtung – Eine gemeinsame Realität herstellen
Meinungsverschiedenheiten entstehen häufig dann, wenn Menschen eine Situation unterschiedlich wahrnehmen. Vielleicht haben Sie das schon erlebt: Ein Gespräch wird anstrengend, weil beide von etwas anderem ausgehen und deshalb keine gemeinsame Basis entsteht.

Genau dies passiert häufig im Alltag. Wir stellen unsere Interpretation als die Realität dar und treffen auf Menschen, die eine eigene Interpretation der Situation als Realität darstellen. Dann wird gestritten.

Würde man sich auf das rein Beobachtbare beschränken, gäbe es an dieser Stelle im Gespräch keine Missverständnisse. Man teilt dann eine gemeinsame Realität.

Im ersten Schritt der Gewaltfreien Kommunikation teilen wir unserem Gegenüber deshalb mit, auf welche Situation, Wahrnehmung oder Beobachtung wir uns beziehen. Dabei unterscheiden wir „reine Beobachtungen“ von „Interpretationen und Bewertungen“. Wir wollen es wieder an den Beispielen von oben deutlich machen:

Beispiel 1: Der fünfjährige Jörg steht während des Frühstücks immer wieder auf, geht zu seinen Spielzeugautos und schiebt sie auf dem Teppich ein Stückchen weiter. Dies ist eine Beobachtung. Bewertungen und Interpretationen könnten sein: Das Kind bummelt beim Frühstück. Das Kind ist zu zappelig. Das Kind kann nicht stillsitzen. Das Kind macht „etwas Falsches“, denn jetzt ist ja Frühstückszeit. Das Kind hält die Mutter auf.

Beispiel 2: Der Vorgesetzte Frank hat seinen Mitarbeiter Matthias gebeten, vor dem Feierabend noch etwas fertigzustellen. Frank fragt nach, ob es passt und Matthias nennt seine eigentlichen Pläne für den Abend. An dieser Stelle kann man leicht in Interpretationen und Bewertungen verfallen. Zum Beispiel: Matthias ist ein unwilliger Mitarbeiter. Matthias engagiert sich nicht für wichtige Dinge. Matthias ist gleichgültig im Bezug auf seine Aufgaben. Matthias hat kein Interesse, seinem Chef zu helfen. Matthias denkt nur an seine Freizeit.

Durch die „verschiedenen Realitäten“ wird eine gemeinsame Lösungsfindung eher erschwert als erleichtert. Die Frage ist nicht: „Hast du recht oder habe ich recht?“, sondern: „Was siehst du und bist du bereit dir anzuhören, was ich sehe?“

 „Beobachtungen und Bewertungen“ voneinander trennen
Achten Sie in Diskussionen darauf, welches Verhalten eine Kamera in dieser Situation aufnehmen würde. Eine Kamera nimmt keine Interpretationen, Bewertungen, Annahmen oder Urteile auf, sondern lediglich die Fakten.

Wenn es Ihnen gelingt, sich zu Beginn eines Dialoges auf die Fakten, auf das Beobachtbare zu fokussieren, dann verringern Sie damit das Konfliktpotenzial im Gespräch erheblich. Ihre Interpretationen und Bewertungen einer Situation teilt Ihr Gesprächspartner vielleicht nicht. Das Beobachtbare wird er jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso sehen, wie Sie.

Unsere Vorschläge für praktische Übungen
Suchen Sie sich für diese Übung einen Partner. Beschreiben Sie diesem einmal den Raum, in dem Sie sich befinden oder das Café in dem Sie gemeinsam sitzen oder ein Bild welches Sie beide betrachten können. 

Antwortet er auf Ihre Beobachtungen mit einem „Nein, das sehe ich anders…“, mit „Ja, aber…“ oder „Für mich stellt sich das so dar… “, dann scheinen sich in Ihre Beobachtungen Bewertungen eingeschlichen zu haben, die Ihr Gegenüber nicht teilt.

Und noch ein Vorschlag: Hören Sie den Gesprächen anderer Menschen einmal zu und achten Sie auf die Bewertungen und Interpretationen und welche Reaktionen in der Regel darauf erfolgen. Wäre das Gespräch anders verlaufen, wenn statt einer Bewertung eine reine Beobachtung genannt worden wäre?

Gefühle werden häufig ungern genannt
Kennen Sie das auch: Sie sind frustriert, ärgern sich vielleicht sogar, fühlen sich hilflos oder wütend? Dann sagen Sie es Ihrem Gegenüber – und blitzschnell lösen Sie einen Streit aus. Vermutlich haben Sie gelernt, in vielen Situationen Ihre Gefühle lieber für sich zu behalten, statt sie auszusprechen. Und was löst es bei Ihnen aus, wenn andere Ihnen ihre Gefühle mitteilen?

Was sind Pseudo-Gefühle?
Wenn Menschen ihre Gefühle zum Ausdruck bringen möchten, äußern Sie häufig versteckte Vorwürfe. Das Deckmäntelchen: „Ich fühle mich …“ lässt uns glauben, dass es sich bei unseren Äußerungen um Gefühle handelt. Meist sind es jedoch Gedanken oder Interpretationen über das Verhalten des anderen. Hier ein paar Kostproben:

Ich fühle mich …

abgelehnt
vernachlässigt
ausgenutzt   
bedrängt      
irregeleitet
erniedrigt
gedemütigt   
fallengelassen
missachtet    
übersehen
heruntergemacht
lächerlich gemacht
hinters Licht geführt
an der Nase herumgeführt
unter Druck gesetzt

Solche Aussagen sind oft der Grund dafür, dass Menschen in Gesprächen Gefühlsäußerungen ablehnen, dass nach Sachlichkeit verlangt wird oder gar Diskussionen damit eingeleitet werden, man möge bitte Gefühle außen vor lassen.

Wie Gefühle entstehen
Gefühle entstehen durch die Wahrnehmung oder Beobachtung einer Situation und der unmittelbaren Verknüpfung dieser Situation, mit Bewertungen aus dem im Gehirn gelagerten Erfahrungsschatz.

„Gute“ und „schlechte“ Gefühle
Im Modell der Gewaltfreien Kommunikation gibt es keine „guten“ oder „schlechten“ Gefühle, sondern Gefühle zeigen die Qualität unserer Versorgung und die Erfüllung unserer Bedürfnisse an.

Im Modell der Gewaltfreien Kommunikation heißt es dazu: Gefühle, die entstehen, wenn  Bedürfnisse erfüllt werden und Gefühle, die entstehen, wenn Bedürfnisse erfüllt werden.

Wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind, fühlen wir uns beispielsweise:

angeregterfreutinspiriert
begeisterterleichtertkraftvoll
berührtfasziniertruhig
beschwingtfrohsicher
enthusiastischgelassenüberrascht
entschlossenglücklichvergnügt
entspanntheiterzuversichtlich

Wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, fühlen wir uns:

ängstlicherschöpftlustlos
ärgerlich erschrecktnervös
angespannterstarrtruhelos
bedrücktfrustrierttraurig
besorgtfurchtsamschockiert
einsamhilflosunglücklich
empörtirritiertungeduldig

Beispiele aus dem Alltag
Was bedeutet das konkret für unseren beruflichen und privaten Alltag? 

Beispiel 1: Der fünfjährige Jörg frühstückt mit seiner Mutter und spielt zwischendrin immer wieder mit seinen Autos. Die Mutter könnte sich dabei nervös, ungeduldig und empört fühlen.

Beispiel 2: In dem beruflichen Beispiel hat der Vorgesetzte Frank seinen Mitarbeiter Matthias gebeten, vor dem Feierabend noch etwas fertigzustellen. Der Vorgesetzte könnte sich unruhig, besorgt und ratlos fühlen.

Gefühle zu benennen, ergibt Sinn
Wenn Sie Ihrem Gesprächspartner „reine“ Gefühlswörter nennen, erhält er die Information, wie es Ihnen geht. Er erfährt etwas über Sie und kann „mitfühlen“, wie es Ihnen geht. Mit größerer Wahrscheinlichkeit werden andere Ihnen zuhören und Sie mit Ihrem Thema verstehen.

Die nachfolgende Geschichte soll veranschaulichen, wie unsere Gefühle über unser Denken entstehen. Versetzen Sie sich bitte während Sie die Geschichte lesen in die Situation des Ehepaares und achten Sie darauf, wie sich Ihre Gefühle im Verlauf der Geschichte verändern.

Unangemeldeter Besuch
Es war ein ruhiger, sonniger Sommernachmittag. Die Rentner Inge und Johannes standen am Küchenfenster ihres kleinen Häuschens am Waldrand und hielten Ausschau nach dem Besuch, den sie eingeladen hatten. Sie freuten sich darauf, ihre alten Freunde Elisabeth und Günter wieder einmal bei sich zu haben. Sie blickten über den Vorgarten hinaus auf den Feldweg, der sich durch das Wiesental zu ihnen ans Ende der Sackgasse herabschlängelte. 

Es war noch nichts zu sehen, doch jeden Moment müsste das Auto den Hügel herunterkommen. Da – ein Motorenbrummen war jetzt schon zu hören. „Da kommen sie!“, rief Inge zu Hans, der an der Kaffeemaschine hantierte. „Sieht aber nicht wie Günters Auto aus“, bemerkte Inge dann und begann, ihre Brille zurechtzurücken. „Das ist auch kein Auto“, meinte Johannes, der inzwischen neben ihr am Fenster stand. „Das sind Motorräder“, ergänzte er.

Acht oder neun, vielleicht sogar zehn Motorräder kamen langsam den Hügel herabgefahren, das dumpfe Grollen der Motoren wurde lauter. Die Gruppe kam immer näher und hielt schließlich auf dem Weg vor dem weißen Gartenzaun an. Die Fahrer trugen schwarze Lederkleidung mit silbern glänzenden Schnallen und Nieten, Helme mit eigenartigen Zeichen und ihre Augen waren hinter dunklen Sonnenbrillen verborgen. Die Chromteile der schweren Maschinen glänzten in der Sonne und nachdem ein Motor nach dem anderen abgestellt worden war, wurde es immer stiller. Die Männer in ihrer schwarzen Kluft blickten sich suchend um.

„Mein Gott, was wollen die denn hier?“, fragte Inge ängstlich. „Hoffentlich suchen die keinen Ärger“, sagte Johannes. „Ausgerechnet jetzt, wo Elisabeth und Günter jeden Moment kommen.“ Die beiden standen nun seitlich vom Fenster, um von draußen nicht gesehen zu werden.

Einer der Rocker näherte sich dem Haus. Gott sei Dank war die Haustür abgeschlossen. Da das alte Fachwerkhaus keine Klingel besaß, klopfte der kräftige Mann laut an das Holz der alten Tür. Inge und Johannes standen mucksmäuschenstill. Beide rührten sich nicht, wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Noch einmal pochte es laut und deutlich an der Tür.

Dann hörten sie, wie der Mann in seinen schweren Lederstiefeln um das Haus herumging. Die anderen Schwarzgekleideten stiegen inzwischen auch von ihren Motorrädern ab und traten in den Vorgarten. Als Inge und Johannes in der Stille ganz unerwartet die laute Stimme hörten fuhren sie erschrocken zusammen. „Hallo“, tönte es vom Wohnzimmerfenster her. „Ihr seid doch da, oder? Wieso macht ihr nicht auf?“ Dann wieder Stille.

Und mitten in die Stille hinein läutete plötzlich das Telefon. Johannes hatte das Mobilteil in der Tasche und war unsicher. Drangehen und damit verraten, dass sie im Haus waren – oder ignorieren? Aber vielleicht war der Anrufer einer der weit verstreuten Nachbarn – vielleicht wurden die Rocker ja beobachtet …

Johannes nahm das Gespräch an. „Hallo, hier ist Elisabeth. Johannes, du glaubst es nicht. Günter und ich, wir sind wieder zu Hause. Wir hatten eine Panne und das Auto musste abgeschleppt werden. Gut, dass wir unterwegs zufällig Bernd und seine Motorradfreunde getroffen haben. Die sind unterwegs zu euch, um Bescheid zu sagen. Damit ihr euch keine Sorgen macht…“

Zum Sofort-Üben
Haben Sie während des Lesens der Geschichte eine Gefühlsveränderung wahrgenommen? Welche Gefühle hätten Sie als eine der beiden Personen zu den unterschiedlichen Zeitpunkten der Situation gehabt? Wie wäre es Ihnen zu Beginn gegangen, als Sie an den bevorstehenden Besuch dachten? Und wie hätten sich Ihre Gefühle verändert, zunächst nach dem Entdecken der Motorradfahrer und dann, als diese im Garten waren und an die Tür klopften? Und was hätte der Anruf in Ihnen ausgelöst?

Schreiben Sie Ihre Gefühle einmal auf und überprüfen Sie anhand der Tabellen, ob es reine Gefühle sind oder ob sich Pseudogefühle eingeschlichen haben.

Am Ende des Coaching-Briefes können Sie lesen, welche Gefühlsveränderungen unsere Seminarteilnehmer benannt haben. Und: Achten Sie in den kommenden 24 Stunden immer wieder auf Ihre Gefühle in den verschiedenen Situationen, die auf Sie zukommen.

Der Nutzen der Gefühle als Hinweisgeber für Bedürfnisse
In der Gewaltfreien Kommunikation werden die Gefühle als Hinweisgeber für erfüllte oder nichterfüllte Bedürfnisse gesehen. Ähnlich wie die Warnlampen auf der Armaturentafel eines Autos daraufhin weisen, dass möglicherweise ein technischer Mangel vorliegt (Ölmangel) oder dass etwas korrekt arbeitet (Blinker), zeigen Gefühle an, ob wir uns in einem Zustand der Bedürfniserfüllung oder des Mangels befinden. Daher gehören im Modell der Gewaltfreien Kommunikation Gefühle und Bedürfnisse zusammen. Gefühle zeigen an, welche Bedürfnisse unerfüllt sind und regen uns an, für Bedürfniserfüllung zu sorgen. Anschließend ändert sich das Gefühl und das neue Gefühl zeigt an, dass ein Bedürfnis erfüllt worden ist. Beispielsweise zeigt „Hunger“ das Bedürfnis nach Nahrung an und „Sättigung“ sagt uns, dass das Bedürfnis nach Nahrung gestillt ist. 

Was sind überhaupt „Bedürfnisse“?
Als „Bedürfnisse“ verstehen wir alle Antworten auf folgende Fragen:

  • Was brauchst du / brauche ich?
  • Was möchtest du / möchte ich?
  • Was ist dir / mir wichtig?
  • Was liegt dir / mir am Herzen?
  • Worauf legst du / lege ich wert?

Eine Übersicht über menschliche Bedürfnisse
Nach dem Modell der Gewaltfreien Kommunikation teilen alle Menschen die gleichen Bedürfnisse. Das macht uns Menschen gleichwertig. Und hier finden Sie die konkreten Bezeichnungen für Bedürfnisse:

AutonomieMiteinanderExistenziell
Träume lebenAkzeptanzLuft, Wasser, Nahrung
Werte wählenWertschätzungBewegung
PlanentwicklungNäheSchutz
ZielverfolgungGemeinschaftRuhe
 RücksichtnahmeZärtlichkeit
LeichtigkeitGemeinschaftsbeitragSexualität
SpielSicherheitUnterkunft
FreudeEmpathieGesundheit
LachenLiebe 
 GeborgenheitVerbundenheit
IntegritätRespektSpiritualität
AuthentizitätAufmerksamkeitSchönheit
KreativitätUnterstützungHarmonie
SinnVertrauenInspiration
SelbstwertVerständnisOrdnung
SelbstausdruckZugehörigkeitFrieden

Bedürfnisse haben wir ständig und fast immer mehrere gleichzeitig. In der GFK unterscheiden wir zwischen „hungrigen“ und „nicht-hungrigen“ Bedürfnissen. Nach der Erfüllung des „hungrigsten“ Bedürfnisses streben wir mit der größten Motivation und Energie. Ist es „gesättigt“, macht es einem anderen „hungrigsten“ Bedürfnis Platz.

Wir unterscheiden „Bedürfnis“ und „Strategie“
Die Bedürfnisse sind bei allen Menschen gleich, jedoch nutzen Menschen unterschiedliche Strategien, um sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

Bedürfnis                 Strategie 1                        Strategie 2         

Freude                    Comedy-CD hören              mit den Kindern spielen

Entspannung           Schlafen                            Spazierengehen

Sicherheit                Türen abschließen              Kampfsport betreiben

Sinn                        Familie gründen                 ehrenamtliche Tätigkeit

Es gibt viele weitere Strategien zur Erfüllung eines Bedürfnisses. Über die Strategien lässt sich streiten – über Bedürfnisse nicht. Bedürfnisse verbinden uns Menschen miteinander. Das „Kleben“ an einer „Lieblingsstrategie“ birgt häufig Konfliktpotenzial und trennt Menschen voneinander. 

Beispiele aus dem Alltag
Beispiel 1: Die Mutter des fünfjährigen Jörg möchte pünktlich beim Arzt sein. Dem Arzt gegenüber hat sie das Bedürfnis nach Zuverlässigkeit. Darüber hinaus trägt sie die Verantwortung für die Gesundheit des Kindes und möchte dem gerecht werden. Sie kann Jörg gegen seinen Willen mitnehmen (Strategie 1). Sie kann versuchen, ihn mit einem Geschenk zu überreden und zu locken (Strategie 2). Oder sie kann mit ihm eine Vereinbarung treffen (Strategie 3). 

Beispiel 2: Der Vorgesetzte Frank hat das Bedürfnis nach Unterstützung und Planerfüllung. Es ist zweitrangig, ob der Mitarbeiter Frank die Arbeit noch am Abend erledigt (Strategie 1) oder ob er am nächsten Tag etwas früher kommt (Strategie 2). Frank könnte die Aufgabe auch einem weiteren Mitarbeiter übergeben (Strategie 3).

Der Opferhaltung entkommen
Solange Sie für die Erfüllung Ihrer Bedürfnisse nur eine Strategie zur Verfügung haben, werden Sie sich häufig in der Opferrolle wieder finden, weil die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass andere mit dieser Strategie nicht einverstanden sind. Sie entkommen der Opferrolle, wenn Sie sich mehrere Strategien für die Erfüllung eines Bedürfnisses offen halten. Je bewusster Sie sich Ihrer Bedürfnisse sind, desto selbstbestimmt können Sie leben und desto besser andere Menschen verstehen.

Die Gleichwertigkeit der Bedürfnisse – Bedürfnisse aller im Blick
Bedürfnisse sind so vielfältig und so einzigartig wie die Farben eines Regenbogens. Und so wie die Farben eines Regenbogens nebeneinander stehen, haben auch die unterschiedlichen Bedürfnisse bei allen Menschen Ihre Daseinsberechtigung. Ziel ist, Strategien zu finden, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigen.

Zum Sofort-Üben
Was haben Sie jetzt direkt nach der Lektüre dieses Coaching-Briefes vor? Sie holen sich etwas zu Essen? Sie spielen mit den Kindern? Sie gehen wieder an die Arbeit? Egal, was Sie gerade gedacht haben, Sie hatten eine Strategie im Kopf. Schauen Sie auf die Bedürfnisliste auf Seite 2 und versuchen Sie, das zugrunde liegende „hungrige“ Bedürfnis zu finden.

Unser Vorschlag für praktische Übungen
Nehmen Sie sich am Abend fünf Minuten Zeit, um den Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Suchen Sie dann eine Situation heraus, die Ihnen noch besonders gegenwärtig ist. 

  • Was war es für eine Situation? Beschreiben Sie konkret, was Sie wahrgenommen haben. 
  • Welche Gefühle haben Sie bei sich entdeckt?
  • Welche Bedürfnisse haben sich erfüllt / nicht erfüllt?

Erkennen Sie, dass Sie Strategien zur Erfüllung Ihrer Bedürfnisse anwenden und dass im Umkehrschluss Ihre Bedürfnisse durch verschiedene Strategien erfüllt werden können?

Erfolgversprechende Bitten statt frommer Wünsche
Haben Sie schon diese Erfahrung gemacht: Sie sind sich Ihrer Bedürfnisse bewusst und haben diese auch Ihrem Gegenüber mitgeteilt. Und dann hat sich Ihr Gegenüber anders verhalten, als Sie es sich gewünscht haben. Die Reaktion war vielleicht ein Schulterzucken, ein bestimmter Blick, ein „Nicht-Handeln“ oder auch ein „Nein“.

Die Benennung eines Bedürfnisses allein, ist noch nicht ausreichend andere zu einem konkreten Handeln einzuladen. Es reicht auch nicht aus zu wissen, was wir nicht wollen. Damit sich Bedürfnisse erfüllen, braucht es die Äußerung einer konkreten und klaren Bitte. Einer Strategie, die Ihre Bedürfnisse erfüllt. 

Bitten sind am ehesten erfolgreich, wenn Sie …

  1. diese bewertungsfrei formulieren,
  2. sie positiv formulieren,
  3. realistische und konkrete Handlungsangebote machen,
  4. dem anderen seine Wahlfreiheit lassen.

Zu 1) Bitten bewertungsfrei formulieren
Bitten können Bewertungen enthalten, die der andere als Urteil und Kritik hören kann:
„Und deshalb bitte ich dich, ehrlich zu sein!“
Dies beinhaltet die Annahme, dass der andere unehrlich ist.

„Bitte erzähl mir genau, was vorgefallen ist.“
Dies fordert zu einer sachlichen Darstellung auf.

Zu 2) Bitten in positiver Handlungssprache formulieren
Häufig weiß der Gebetene nicht, was er nun tun soll.
„Bitte, lass mich mit diesen Dingen nicht allein.“
Dies drückt nicht aus, für was genau eine Unterstützung erbeten wird.

„Bitte, hilf mir heute Abend die Steuererklärung und die Abrechnungen zu erstellen.“
Dies macht deutlich, für was wir uns Hilfe wünschen; womit wir nicht allein gelassen werden wollen.

Zu 3) Bitten konkret formulieren
Bitten werden häufig sehr allgemein formuliert. Dies birgt die Gefahr, dass Ihr Gegenüber später sagt, er habe es anders verstanden.
„Ich möchte dich bitten, dass Du mich ernst nimmst.“
Dies unterstellt, dass der andere weiß, wann wir uns ernst genommen fühlen.

„Ich möchte dich bitten, statt zu lachen, mir zu sagen, weshalb du das getan hast.“
Dies sagt dem Angesprochenen genau, was wir von ihm erwarten.

Zu 4) Dem anderen seine Wahlfreiheit lassen
Manchmal ist eine Bitte eine Forderung, auch wenn der Satz das Wort „Bitte“ enthält und ganz freundlich vorgetragen wurde. Ob eine Bitte eine Bitte ist oder eine Forderung, merken Sie an Ihrer Reaktion, wenn Ihr Gegenüber mit „Nein“ antwortet.

„Würden Sie mir bitte helfen, das Kopierpapier einzulegen?“
„Nein, ich habe gerade Mittagspause.“
„Sie sind faul und egoistisch!“

Eine Bitte überlässt dem anderen die Möglichkeit, sie zu erfüllen oder nicht. Er wird unserer Bitte auch gern nachkommen – wenn nicht bei ihm ein dringenderes Bedürfnis vorherrscht. Insofern gilt: Ein „Nein“ auf unsere Bitte ist ein „Ja“ unseres Gegenübers zu seinen eigenen Bedürfnissen. Im Sinne einer gewaltfreien Haltung werden dadurch beide Bedürfnisse sichtbar und man kann über eine Lösung nachdenken, die beiden Bedürfnissen gerecht wird.  

Dazu die Beispiele
Beispiel 1: Sie erinnern sich an unser durchlaufendes Beispiel, Mutter und Sohn am Frühstückstisch? Die Bitte der Mutter könnte so klingen: „Wir beiden werden in fünf Minuten zum Arzt gehen. Bitte entscheide dich jetzt, ob du die Spielzeugautos mitnehmen möchtest oder ob du später hier damit weiterspielen möchtest.“ 

Beispiel 2: Der Vorgesetzte Frank hat seinen Mitarbeiter Matthias darum gebeten, länger zu bleiben, um ein dringendes Dokument fertigzustellen. Er bemerkt, dass Matthias nicht gern zustimmt. Er hört das „Nein“ als ein „Ja“ zu Matthias Bedürfnissen (Entspannung in der Sauna) und stellt eine zweite Bitte, die die Bedürfnisse Beider berücksichtigen könnte: „Wäre es für dich o.k., morgen früher zu kommen?“

Unser Vorschlag für ein praktisches Üben
Achten Sie beim formulieren einer Bitte auf die vier Regeln für erfolgreiche Bitten. Fällt Ihnen auf, dass dadurch Ihren Bitten mehr entsprochen wird?

4. Vier Schritte in der Anwendung

Verbindung der vier Schritte
Wenn Sie in einem Konflikt stehen und Sie eine Veränderung erreichen möchten; wenn Ihnen sehr wichtig ist, gehört und verstanden zu werden; wenn Sie die Verbindung zu Ihrem Gegenüber auch im Streit erhalten möchten, dann ist es hilfreich, sich der vier Schritte zu bedienen. 

Im ersten Schritt, der Beobachtung, stellen Sie eine gemeinsame Realität her. Ihr Gegenüber erfährt etwas über die Situation, die Ihnen zu schaffen macht. Hier ist es hilfreich, sich nur auf den bedeutsamsten Auslöser zu fokussieren und diese Beobachtung frei von Bewertungen und Interpretationen zu äußern. Im zweiten Schritt nennen Sie ein reines Gefühl und Ihr Gegenüber kann mitfühlen, wie es Ihnen damit geht. Und im dritten Schritt, mit der Offenlegung Ihrer Bedürfnisse, erhält Ihr Gesprächspartner die Auskunft, worum es Ihnen geht. Mit der Bitte ermöglichen Sie, dass der andere nun konkret weiß, was er für Sie tun kann. Versuchen Sie, die vier Schritte mit maximal 40 bis 50 Wörtern auszudrücken. Ab da sinkt die Zuhörbereitschaft der meisten Menschen deutlich.

Eigene Themen anbringen
1. Wenn ich höre, dass du im Büro erzählst, ich sei dumm, 
2. dann bin ich enttäuscht und ärgerlich, 
3. weil ich gern möchte, dass wir respektvoll miteinander umgehen. 
4. Und deshalb bitte ich dich, mir selbst zu sagen, wenn dir etwas an mir nicht gefällt. Bist du dazu bereit?

Verständnis für das Gegenüber verbal zum Ausdruck bringen
1. Weil Sie von den Kollegen erfahren haben, dass einige Mitarbeiter einen höheren Stundenlohn haben als Sie,   
2. sind Sie verärgert und frustriert, 
3. weil Ihnen wichtig ist, dass es für „gleiche Arbeit“ auch „gleiche Bezahlung“ gibt.
4. Und deshalb möchten Sie mich bitten, Ihren Lohn zu erhöhen?

Nicht in jedem Fall sind die vier Schritte notwendig. Sie sind je nach Situation und Kontext anpassbar. Wenn Sie die Schritte beherrschen, dann können Sie mit ihnen spielen, wie Musiker auf ihrem Instrument.

Dazu wieder die Beispiele
Beispiel 1: Die Schritte der Mutter könnten so klingen: „In fünf Minuten gehen wir zum Arzt. Bitte setz dich hin, iss auf und zieh dich dann an.“
Jörg sitzt auf dem Boden und spielt weiter mit seinen Autos.
Mutter: „Du möchtest weiter mit deinen Autos spielen?“
Jörg: „Ja!“
Mutter: „Ich werde unruhig, da ich wirklich gern meine Zusage einhalten möchte, dass wir pünktlich kommen. Bitte entscheide dich jetzt, ob du die Spielzeugautos mitnehmen möchtest oder ob du später hier damit weiterspielst.“
Jörg überlegt, dann: „Ich will nur noch meine Autos schnell hier einparken, dann komme ich.“

Beispiel 2: Die Schritte des Vorgesetzten in der Kommunikation mit Matthias könnten so klingen: „Ich bin gerade von unserem Anwalt auf eine wichtige Vertragskorrektur hingewiesen worden. Ich bin unruhig und besorgt, weil mir die Kundenzufriedenheit ganz wichtig ist. Wärest du bereit noch heute die Korrektur vorzunehmen und sie unserem Anwalt zukommen zu lassen?“
Frank vermutet, dass Matthias nicht gern zustimmt.
Frank: „Du stimmst nicht gern zu?“
Matthias: „Nein ich wollte heute noch in die Sauna und ausspannen. Ich bin wirklich müde.“
Frank: „Mmmh, ich höre du bist heute zu müde und gleichzeitig brauche ich die Sicherheit, dass die Arbeit morgen beim Anwalt vorliegt. Wäre es für dich o.k., morgen früher zu kommen?“
Matthias: „Das würde passen.“

Wenn Sie Menschen gewinnen wollen, Sie zu unterstützen und Sie gleichzeitig auf eine tragfähige Verbindung Wert legen, ist es hilfreich sich folgende zwei Fragen zu stellen:

Zwei Fragen
Es gibt zwei Fragen, die – wenn wir sie uns öfter stellen würden – dazu beitragen könnten, dass die Welt ein friedlicherer Ort werden würde.
Die erste Frage ist: Was sind die Gründe, aus denen Menschen etwas für andere Menschen tun?
Die zweite Frage lautet: Aus welchen Gründen möchten Sie persönlich, dass andere Menschen etwas für Sie tun?

Marshall B. Rosenberg

Gründe, dass andere tun, was Sie möchten:

  • Aus Schuld / Scham: Der andere glaubt, dass er für Ihre Gefühle verantwortlich ist.
  • Aus Angst: Der andere geht davon aus, wenn er es nicht tut, dann hat das unangenehme Folgen für ihn.
  • Aus Gehorsam: Der andere denkt, dass Sie die Autorität haben und nur Ihre Bedürfnisse wichtig sind und er seine Bedürfnisse unterzuordnen hat.
  • Aus Wertschätzung: Der andere hat Freude daran, Sie zu unterstützen und zu Ihrem Wohlergehen beizutragen.

Nur dann
Bitte tue das, worum ich dich bitte nur, wenn du es mit der Freude eines kleinen Kindes tun kannst, das eine hungrige Ente füttert.
Bitte tue nicht worum ich dich bitte, wenn es mit einem Makel von Angst vor Strafe behaftet wäre, würdest du es nicht tun.
Bitte tue nicht worum ich dich bitte, um meine Liebe zu kaufen; das heißt, dass du hoffst, ich würde dich mehr lieben, wenn du es tätest.
Bitte tue nicht worum ich dich bitte, wenn Du dich schuldig fühlen würdest, wenn Du es nicht tätest.
Bitte tue nicht worum ich dich bitte, wenn du Scham empfinden würdest, tätest du es nicht.
Und ganz bestimmt tue es nicht aus Pflicht oder Verbindlichkeit. Unser Leben ist zu kurz für den Preis, den wir dafür zahlen. 

Marshall B. Rosenberg

5. Fazit: Warum es sich lohnt, GFK zu lernen

Das Modell ist weit mehr als nur eine einfache und wirksame Methode. Sie ist eine Sprache des Lebens, die Menschen näher zusammenbringt, Missverständnisse abbaut und dafür sorgt, dass Konflikte nicht eskalieren, sondern geklärt werden. Wer GFK in den Alltag integriert, gewinnt:

  • bessere Beziehungen
  • mehr Empathie – mit sich und anderen
  • Klarheit in Konflikten
  • stärkere berufliche Kompetenz
  • mehr Ruhe, Gelassenheit und innere Stabilität
  • erfülltere Verbindungen im Alltag

Ob im Beruf, in der Familie, in der Partnerschaft oder in der Ausbildung – die Gewaltfreie Kommunikation ist eine Haltung und ein Werkzeug, das überall Wirkung zeigt, wo Menschen aufeinandertreffen und Konflikte entstehen können.

6. Wie kann es jetzt mit Gewaltfreier Kommunikation weitergehen? 

Wir Menschen haben die Wahl und damit auch die Verantwortung zu entscheiden, was wir hören wollen. Wir können uns mit Urteilen, Bewertungen und Interpretationen befassen. Oder wir können uns die Zeit nehmen, um den Gefühlen und Bedürfnisse zu lauschen, den eigenen und denen der anderen. Würde das für Sie einen Unterschied machen? Dann bleiben Sie am Thema dran. Es gibt viele Bücher zum Thema Gewaltfreie Kommunikation und auch Seminarmitschnitte mit Marshall Rosenberg. Gewaltfreie Kommunikation zu lernen bedeutet, einen Weg der Wandlung zu beschreiten. Dies lässt sich besonders leicht zusammen mit anderen und mit Gleichgesinnten tun.

Es gibt, noch viel mehr zu entdecken. Wir wünschen uns, dass Sie einen Gewinn für sich darin sehen können und am Ball bleiben. Sie können ab jetzt unseren wöchentlichen kostenlosen Coaching-Brief „Gewaltfrei leben“ erhalten.


Eine weitere Möglichkeit sich bewusst jeden Tag mit den Inhalten der Gewaltfreien Kommunikation zu beschäftigen, sehen wir mit unserem Buch: „Heute gewaltfrei“ gegeben. Durch tägliche kleine Impulse Sie mit wenig Zeitaufwand »am Ball bleiben« und sich von gewaltfreiem Gedankengut durch das Jahr begleiten lassen.

Zusammenfassend haben wir Ihnen auch in unserem Blog zwei Artikel erstellt, wie Sie Ihre GfK Grundlagen vertiefen  können.

GFK lernen bedeutet auch dranbleiben 
Der Weg lohnt sich

Vielleicht sind Sie nicht nur neugierig geworden. Vielleicht sind Sie schon entschlossen, Gewaltfreie Kommunikation „live“ oder in einem Online Kurs kennenzulernen. In unseren Workshops und Seminaren können Sie Ihr Grundwissen vertiefen.

Hier finden Sie unser Angebot:
Seit 2011 geben wir zusammen Seminare in Gewaltfreier Kommunikation in verschiedensten Klöstern in Mitteldeutschland. Wir freuen uns, Sie einmal dort persönlich in einem unserer GFK-Seminare begrüßen zu können und mit Ihnen, Ihre Vorkenntnisse zu erweitern und in die wertschätzende Kommunikation tiefer einzutauchen. Sie können auswählen zwischen einem Einführungsseminar oder einem Vertiefungsseminar. Wenn Sie es ganz intensiv mögen, dann wäre vielleicht auch der Jahreskurs genau passend für Sie.

www.ab-ins-kloster.de

Falls Sie bereits auf dem Weg sind zu einer Zertifizierung, so werden alle Seminare bei uns in Ihrer Ausbildung zur Trainer:in angerechnet. Anja Palitza ist zertifizierte Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation, die vom CNVC und vom Fachverband Gewaltfreie Kommunikation anerkannt ist. Sie können aber auch direkt bei uns mit unserem Team von K-Training an einer Fortbildung teilnimmt, die sie zur Trainer:in für Gewaltfreie Kommunikation qualifiziert.

Wir wünschen Ihnen harmonische Beziehungen.

 Herzliche Grüße von Ihrem Trainerteam
Anja Palitza & Olaf Hartke

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