691/2025 Umgang mit Narzissten – Ist eine gewaltfreie Kommunikation mit Narzissten überhaupt noch sinnvoll?

Eine GFK-Antwort auf eine Leserfrage zum Thema Kommunikation mit Narzissten – Braucht es im Umgang mit Narzissten Schlagfertigkeit?

Helfen schlagfertige Antworten? – So reagieren Sie hilfreich & schützen sich vor Manipulation.

Liebe Leserin und lieber Leser,

in unserer Messenger-Gruppe “Verbale Raumpflege” bei Signal gab es kürzlich eine Frage zum Thema Narzissmus und auch einige Rückmeldungen aus der Gruppe folgten dazu. Ähnlich, wie in anderen Gruppen wurde von einer toxischen narzisstischen Beziehung gesprochen, die die Beziehungspartner verunsichern und den Selbstwert stark angreifen würde. Das Verhalten eines Narzissten sei krankhaft. Durch seine subtilen und auch direkten Schuldzuweisungen würden Schuldgefühle ausgelöst als auch durch beständige Abwertungen würde das Selbstwertgefühl manipuliert; man würde zwangsläufig zum Opfer von Narzissten. Narzissten neigen dazu, eigene Erfolge, Talente oder Kompetenzen zu überhöhen und die von anderen zu negieren. Die Kommunikation mit einem Narzissten sei gestört und Gespräche mit einem Narzissten würden ins Leere laufen. Viele Narzissten ignorieren jegliche Bedürfnisse anderer, sind dominant und der Umgang mit Narzissten sei immer von Rücksichtslosigkeit geprägt. Wichtig sei dann ruhig zu bleiben, den narzisstischen Missbrauch erstmal zu beenden und ihm den Wind aus den Segel nehmen indem man mit Schlagfertigkeit kontert. Unter Umständen braucht das Opfer als auch der Täter, in dem Fall der Narzisst, professionelle Hilfe. 

Wir wollten ebenfalls antworten und haben mehrfach überlegt, was wir antworten. Zu komplexen Themen fallen uns meistens keine kurzen Messenger-tauglichen Antworten ein.

Also kommt die Antwort nun hier. Und der Coachingbrief ist vergleichsweise lang geworden. Denn das Thema lautet “Narzissmus”.

Herzliche Grüße, heute von uns beiden aus Habkern bei Interlaken
Anja Palitza & Olaf Hartke

PS: Wer auch in die Gruppe aufgenommen werden möchte, kann im Mai wieder an der kostenfreien Webinar-Serie „Verbale Raumpfleger*Innen gesucht“ teilnehmen.


Thema: Eine Antwort auf eine Frage zum Thema Narzissmus

Zitat: „Alles, was ein Mensch jemals tut – oder lässt, ist der bestmögliche Versuch, sich mindestens ein Bedürfnis zu erfüllen.“ (Marshall B. Rosenberg)

Beispiel: In unserer oben erwähnten Signal-Gruppe „Verbale Raumpflege“ wurde diese Frage gestellt: „Seid Ihr schon mal auf Narzissten gestoßen; ist das der Endgegner?“

Ergänzende Sichtweisen und Fragen waren:

  • Psychologen beschreiben oft, dass Narzissten nur schwer oder nicht therapierbar sind.
  • Das ein Narzisst sich ändert ist sehr unwahrscheinlich. Narzissten wollen oft nichts ändern.
  • Die Beziehung mit einem Narzissten sei gefährlich.
  • Kann hier auch Gewaltfreie Kommunikation nichts mehr ausrichten?
  • Ehrlichkeit in der Kommunikation zu sich und dem Gegenüber ist ja ein Grundpfeiler der GFK und Narzissten verdrehen die Wahrheit und sind manipulativ.
  • Hilft GFK einen Zugang zu und Umgang mit Menschen zu finden, die große narzisstische Anteile in sich tragen und denen man nicht ausweichen kann?
  • Ich erlebe Menschen mit narzisstischen Zügen als sehr manipulativ, uneinsichtig und sehr schwer zugänglich, was leider sehr viel Leid bei anderen verursacht.
  • Narzissten reagieren sehr selbstsicher und inszenieren ihre Wirkung auf andere oft bewusst, um Anerkennung und Kontrolle zu gewinnen.
  • Narzissten sind Meister, soziale Situationen strategisch zu gestalten, um Selbstwertregulation, Statusgewinn und die Sicherung ihrer sozialen Dominanz zu unterstützen.
  • Füttern, füttern, füttern. Auch für Therapeuten eine große Herausforderung.

UND… es gab dazu aus der Runde auch hilfreiche Buch- und Videoclip-Empfehlungen, sowie einen Veranstaltungs-Hinweis. Eine GFK-orientierte Sichtweise war:

  • Narzissmus lebt in seinen Anteilen bei uns allen, mehr oder weniger. In männlicher und weiblicher Form. Gewaltfreie Kommunikation hilft sehr, diese Anteile in uns zu entdecken, sich mit ihnen auseinanderzusetzen und andere Menschen mit ihren unerfüllten Bedürfnissen zu sehen, die sie mit ihren „narzisstischen“ Anteilen zu erfüllen versuchen.

Und wir sahen zu dem Thema die Nachrichten und Hinweise und Unterstützungen auftauchen und haben irgendwann bemerkt: Da bekommen wir keine sinnvolle kurze Antwort hin. Also schreiben wir dazu einen Coachingbrief.

Information: Narzissmus – was ist das eigentlich? Wir denken, diese Frage bedarf der Klärung eines gemeinsamen Verständnisses, bevor man sich über die Frage nach einem persönlichen Umgang mit Menschen, von denen manche Menschen denken, sie seien „Narzissten“, austauschen kann.

Und wir schicken schon mal eine „Warnung“ vorab: Mit unseren Überzeugungen stehen wir in der Landschaft derer, die Narzissmus in irgendeiner Form thematisieren oder den Begriff bewertend bis verurteilend auf Mitmenschen anwenden, ziemlich allein da. Also insofern – WIR beiden denken so. Es ist allerdings weder „richtig“, so zu denken, noch ist es „wissenschaftlich belegt“, dass man Menschen so sehen kann. Dennoch überzeugt uns unsere Sichtweise.

In Bezug auf „Sichtweisen“ lassen wir uns im Leben von der Frage leiten, welche Sichtweise uns dient. Dient, im Sinne von – hilft und unterstützt die Sichtweise uns dabei, dass wir uns in Verbindung mit ihr leichter, öfter und nachhaltiger unsere Bedürfnisse zur Erfüllung bringen können?

Im Kontext zum Thema Narzissmus fragen wir uns daher bezüglich unserer Sichtweise:

Inwiefern gelingt uns Bedürfniserfüllung besser, wenn wir Narzissmus als Persönlichkeitsstörung und bestimmte Menschen als Narzissten sehen? Was sind mit dieser Sichtweise unsere Vorteile?

Inwiefern gelingt uns Bedürfniserfüllung besser, wenn wir im Kontakt mit den Menschen, die von anderen als narzisstisch bewertet und verurteilt werden, einfach achtsam mit unseren Gefühlen sind und emotionale Hinweise aus unserem Inneren nutzen, um gut auf unsere Bedürfnisse zu achten und sie im Rahmen unserer Eigenverantwortlichkeit für unser eigenes Wohlergehen wirksam zu schützen?

Zurück zur Ausgangsfrage – was ist Narzissmus und wie kann man Narzissten erkennen?
Oberflächlich bei Google recherchierend finden wir unzählige Suchergebnisse, die erschreckend häufig im Zusammenhang mit Persönlichkeitsstörung, „eine Gefahr für andere“ und der Frage nach einer Therapierbarkeit stehen.

Auf der Suche danach, woher der Begriff eigentlich kommt und was eine nicht-bewertende Definition sein könnte finden wir wenig.

Tatsächlich hat – wie ich (Olaf) mich schon immer mal gefragt habe, aber nie gegoogelt habe – der Begriff Narzissmus mit der Narzisse zu tun. Der Blume. Im Werk „Etymologisches Wörterbuch des Deutschen“ finden wir den Bezug:

„Narzisse“ – Name für ein stark duftendes Zwiebelgewächs mit ansehnlichen weißen oder gelben Blüten, entlehnt im 16. Jahrhundert den gleichbedeutenden lateinischen Begriffen „narcissus“ und dem griechischem „nárkissos“. Da die Pflanze einen betäubenden Duft verbreitet und eine beruhigende Wirkung haben soll, ist der Name möglicherweise auch an das griechische „nárkē“ (Krampf, Lähmung, Erstarrung, vgl. auch „Narkose“) anzuschließen.
„Narzißmus“, sagt dann Sigmund Freud im Jahre 1924, sei eine „übertriebene Selbstliebe und das Verlangen, stets bewundert zu werden“, in Erweiterung seiner Verknüpfung von 1917 mit der Bedeutung des französischen „narcissisme“, mit der Vorstellung eines „eitlen, sich selbst bewundernden Menschen“, das den lateinischen „Narcissus“ und den griechischen „Nárkissos“ beschreibt. In der griechischen Sage der Name eines Jünglings, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, an dieser Liebe zugrunde ging und in eine Narzisse verwandelt wurde.

Wir stellen für uns fest – die Kenntnis der Wortherkunft trägt nur wenig zur Erfüllung unserer Bedürfnisse bei, die wir im Umgang mit Menschen, die von anderen als „narzisstisch“ bewertet werden, schützen möchten. (Sie merken schon, wir weigern uns nachhaltig, diese Bewertung zu teilen.)

Orientieren kann man sich natürlich immer auch am Standardwerk der Krankheitsbeschreibungen – dem ICD-10. Oder noch besser – an der Neuauflage, dem ICD-11. Kennen Sie nicht? Macht nichts, ich musste auch nochmal nachsehen, wofür das bekannte Kürzel „ICD“ nochmal steht. Es bedeutet: „International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems“ (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme). Das große Buch, in dem Wissenschaftler der WHO festgelegt haben, was Krankheiten sind und was nicht. Und bei Wikipedia lesen wir, die Wissenden hätten folgendes ganz konkret festgestellt:

„In der 10. Revision des Klassifikationssystems der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) wird die narzisstische Persönlichkeitsstörung nur in einer Restkategorie aufgeführt (F60.8. Sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen). In dem überarbeiteten Klassifikationssystem der 11. Revision (ICD-11) werden Persönlichkeitsstörungen nach ihrem Schweregrad und nicht mehr nach ihrem spezifischen Störungsbild klassifiziert. Im DSM-5 der American Psychiatric Association ist sie dagegen als selbständiges Störungsbild enthalten und gehört dort zum Cluster B, der die ‚launisch, dramatisch, emotionalen‘ Persönlichkeitsstörungen umfasst. In jedem Fall muss sie von normalem Narzissmus als tatsächlicher oder zugeschriebener Charaktereigenschaft abgegrenzt werden.“

Bei Wikipedia unter „Narzissmus“ – ohne ICD – finden wir etwas mehr Neutralität und Respekt:
„Der Ausdruck Narzissmus steht alltagspsychologisch und umgangssprachlich im weitesten Sinne für die Selbstverliebtheit und Selbstbewunderung eines Menschen, der sich für wichtiger und wertvoller einschätzt, als urteilende Beobachter ihn charakterisieren.“

Noch etwas mehr unserer „Denk-Ecke“ entstammt diese Sichtweise:
„Reden wir da immer von demselben Narzissmus? Narzissmus beschreibt auch die normale Fähigkeit des Menschen, mit sich selbst einverstanden zu sein.“ (Otto Kernberg, schweizerischer Psychoanalytiker)

Dazu fällt uns ein: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“
Dieser christlich-biblische Ratschlag empfiehlt die Gleichwertigkeit von „Fremdliebe“ und „Selbstliebe“.

Und so verkehrt finden wir persönlich eine „gesunde Selbstliebe“ auch nicht – was immer das ist, da gehen die Meinungen ja bekanntermaßen auseinander. Wir halten uns da an die Rosenberg´sche Formel der Maßhaltigkeit:
„Die Bedürfnisse aller an einer Interaktion beteiligter Menschen sind gleichwertig.“

Und damit kommen wir dem Kern unserer Sichtweise und dem, was wir verdeutlichen wollen, näher. Wir erinnern uns gerade an Klaus Karstädt, unseren langjährigen „Trainer-Vater“ und Mentor. Ich vermute, wenn man ihn zum Thema Narzissmus gefragt hätte, hätte es folgenden Dialog geben können:

„Klaus, sag mal, hältst Du es für sinnvoll und nützlich, sich vor Narzissten und allgemein vor Narzissmus in der Gesellschaft zu schützen?“
„Ja, das wäre – ganz hypothetisch – sinnvoll und nützlich.“
„Klaus, was meinst Du mit ‚wäre‘ und ‚hypothetisch‘?“
„Damit meine ich – vorausgesetzt – nur unter dieser Prämisse – sofern es so etwas wie Narzissten und Narzissmus überhaupt gäbe.“
(Erstaunter Blick und abwartende Stille bei der fragenden Person.)
„Wenn es Narzissten und Narzissmus in Deinem Konstrukt von der Realität gibt, dann wäre es sinnvoll und nützlich, gut aufzupassen und Dich zu schützen. Wenn Du Deine Realität anders konstruierst, dann hast Du um Dich herum Menschen mit einem beobachtbaren Verhalten, welches bei Dir Gefühle auslöst. Dann nimmst Du diese Gefühle wahr und entdeckst darüber Deine Bedürfnisse und kannst Bitten stellen. Wenn Bitten nicht zu Deinem gewünschten Ergebnis führen, kannst Du für Dich entscheiden, wie Du Dich in der Situation anderweitig für die Erfüllung Deiner Bedürfnisse entscheiden möchtest.“

Wir unterscheiden hier also sehr deutlich die „bewertende und urteilende Wolfswelt“ von der „gefühls- und bedürfnisorientierten Giraffenwelt“. Hier nochmal die definitorische Grundlage für „gewaltfrei“ nach Marshall Rosenberg:

Gewalt ist…

  1. meine eigenen Bedürfnisse wichtiger zu nehmen, als die des Anderen.
  2. meine Aufmerksamkeit auf moralistische Urteile zu legen.
  3. einen anderen Menschen zu bestrafen oder zu belohnen auf der Basis von Bewertung.

Gewaltfrei ist…

  1. die Bedürfnisse Anderer genauso wichtig zu nehmen, wie meine eigenen.
  2. meine Aufmerksamkeit auf meine Gefühle und Bedürfnisse und die anderer zu legen.
  3. zu versuchen, jeglichen Impulsen andere zu bestrafen oder zu belohnen, nicht nachzugeben.

Wir zitieren nochmal Marshall Rosenberg mit dem eingangs erwähnten Satz

„Alles, was ein Mensch jemals tut – oder lässt, ist der bestmögliche Versuch, sich mindestens ein Bedürfnis zu erfüllen.“

Und wir verändern ihn mal so: Alles, was ein Mensch, der von anderen als Narzisst gesehen wird, tut oder lässt, ist der bestmögliche Versuch, sich mindestens ein Bedürfnis zu erfüllen. Wir sehen keine Narzissten, wir sehen Menschen, die sich Bedürfnisse erfüllen. Und ja – es gibt Menschen, für die hat Punkt 1 der Definition weniger Bedeutung als für uns. Es gibt Menschen, die treffen Entscheidungen zugunsten ihrer Bedürfnisse auf eine Art und Weise, dass dadurch Bedürfnisse bei anderen in „Nicht-Erfüllung“ kommen. Das ist so. Dann haben wir in der GFK-Haltung drei Optionen.

  1. Diese Menschen freundlich und doch klar und aufrichtig darum bitten, bestimmte Entscheidungen und Handlungen anders oder gar nicht mehr auszuführen. Dabei darf man auch beharrlich und nachhaltig zu Veränderungen einladen, so lange bis Option 2 als die sinnvollere Option erscheint.
  2. Wenn man feststellt, dass ein „Werben für Veränderung“ bei Narzissten überhaupt kein Ergebnis bringt, weil der Andere sich nicht zu einer Verhaltensänderung einladen lässt – wenn der „Preis des Werbens“ also zu hoch wird und man des Werbens müde wird – dann ist man wieder bei seiner Eigenverantwortung für Bedürfniserfüllung angelangt. Dann braucht man Ideen, wie man mit dieser Situation umgehen könnte. Engländer sagen dann sehr klar: „Love it or change it or leave it“. (Liebe es oder verändere es oder verlasse es.)
  3. „Stand it“, würden wir noch hinzufügen. „Halte es aus.“ Man muss nicht alles lieben, es reicht aus, es aushalten zu können, wenn man es nicht verändern kann, aber die Situation auch nicht verlassen möchte.

Zu einigen der Fragen und Sichtweisen aus der Signal-Gruppe möchten wir noch ein paar Gedanken mitteilen. Wir haben dazu niedergeschrieben, was wir spontan denken, wenn wir sie lesen.

„Seid Ihr schon mal auf Narzissten gestoßen; ist das der Endgegner?“
Nur als Begriff oder gedankliches Konstrukt begegnet uns Narzissmus. Im beruflichen Alltag hören wir sehr häufig den bewertenden und (ver-)urteilenden Gedanken, dass dieser oder jener Mensch ein Narzisst sei. Wir selbst sehen jedoch nie Narzissten. Wir sehen nur Menschen. Und wir erleben manchmal frustrierende oder anstrengende Strategien mit einigen wenigen Menschen.
Nein, diese Menschen sind für uns keine (End-)Gegner, sie sind unsere Mitmenschen. Ob sie uns gefallen oder nicht.

„Psychologen beschreiben oft, dass Narzissten nur schwer oder nicht therapierbar sind.“
Wenn man Narzissmus als „Krankheit“ oder „Störung“ sieht, dann kann es gut sein, dass es manchen Psychologen schwer fällt wirksame Veränderungsimpulse zu initiieren. Wir sehen in Verhaltensweisen, die als „narzisstisch“ bezeichnet werden, weder Krankheit noch Störung und haben daher auch nicht die Idee des „Therapie-Bedarfs“.

„Ein Narzisst will oft nichts ändern.“
Und ja, Menschen, die von anderen so genannt werden, sehen häufig keine Notwendigkeit, sich oder ihr Verhalten zu verändern. Dazu sind sie nach unserer Auffassung auch nicht verpflichtet, denn an ihnen ist nichts „falsch“ oder „schlecht“. Wir können sie einladen/bitten etwas zu verändern, auch beharrlich darum bitten und sie werden es tun, wenn sie es möchten und wenn sie es nicht tun, suchen wir Lösungen, mit denen wir nicht auf ihre Kooperation angewiesen sind. Oder wir üben, die Entscheidungen und Handlungsweisen auszuhalten, weil der Kontakt uns andere Bedürfnisse erfüllt. Oft wird in den Medien darauf hingewiesen, dass man einem Narzissten Grenzen zu setzen hat. Wir gehen davon aus, dass es hilfreicher ist, nicht über die eigenen Grenzen zu gehen und gut auf diese zu achten.

„Kann hier auch GFK nichts mehr ausrichten?“
Wenn mit ausrichten „verändern“ gemeint ist – doch, mit GFK kann man Veränderungen erzielen, die Chance besteht immer. Doch auch mit GFK ist es nicht wahrscheinlich, dass sich Menschen verändern, die keinen Sinn in einer Veränderung sehen, weil es ihnen keine Bedürfnisse erfüllen würde, sich zu verändern. Unser Einflussbereich ist da begrenzt, denn er ist vom Mitwirken des Gegenübers abhängig. Wenn mein Gegenüber nicht nach meinen Vorstellungen kooperiert, dann kann ich jedoch an der Stelle trotzdem in meiner GFK-Haltung bleiben und mir überlegen, wie ich selbst damit umgehen möchte. Dann kann ich für mich Veränderungen herbeiführen, die in meinem Kontrollbereich liegen.

„Ehrlichkeit in der Kommunikation zu sich und dem Gegenüber ist ja ein Grundpfeiler der GFK und Narzissmus verdreht die Wahrheit und ist manipulativ.“
Ehrlichkeit gehört auch zu unseren Bedürfnissen und ist auch für uns ein Grundpfeiler von Interaktion mit anderen. Das Narzissten die Wahrheit verdrehen, sehen wir nicht so. Es gibt Menschen, mit denen brauchen wir manchmal mehr Zeit, uns auf gemeinsame Fakten einigen zu können, als mit anderen und vielleicht gibt es mit diesen Menschen auch weniger gemeinsame Sichtweisen.

„Hilft GFK einen Zugang zu und Umgang mit Menschen zu finden, die große narzisstische Anteile in sich tragen und denen man nicht ausweichen kann?“
Ja, GFK hilft, einen Zugang zu und einen Umgang mit Menschen zu finden, die von anderen als narzisstisch bewertet werden. Die Sichtweise, dass man Menschen nicht ausweichen kann, teilen wir nicht, wir leben ja nicht in Gefangenschaft. Wir sind selbstverantwortlich und jederzeit und an jedem Ort frei, selbst zu entscheiden, wie wir uns verhalten wollen. Unter Berücksichtigung unserer Bedürfnisvielfalt erkennen wir allerdings an, dass Abwäge-Prozesse manchmal schwer fallen und wir den Preis des Ausweichens nicht immer zahlen wollen.

„Ich erlebe diese Menschen als sehr manipulativ, uneinsichtig und sehr schwer zugänglich, was leider sehr viel Leid bei anderen verursacht.“
Wir erleben Menschen, die von anderen als narzisstisch bewertet werden, nicht manipulativ, sondern häufig zielstrebig, hartnäckig, fokussiert und einflussreich. Und nicht uneinsichtig, sondern überzeugt. Nicht schwer zugänglich, sondern wenig interessiert an bestimmten Gesprächsthemen. Narzissten gelingt es häufig, ihre Ziele mit bemerkenswerter Konsequenz zu verfolgen und ihr Umfeld so zu beeinflussen, dass ihre Position überzeugend und handlungsleitend wirkt. Narzissten gehört in vielen Situationen die kommunikative Bühne, weil sie durch ihre Präsenz, Klarheit und Entschiedenheit Gesprächsdynamiken maßgeblich prägen. Ihre Schlagfertigkeit ermöglicht es ihnen zudem, schnell zu kontern und Gesprächsverläufe in ihrem Sinne zu steuern. Man könnte annehmen, dass der Narzisst mit seinem Verhalten Leid verursacht. Doch genaugenommen löst er das empfundene Leid „nur“ aus. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Die Ursachen unseres Leids sind unsere unerfüllten Bedürfnisse und für die übernehmen wir die Verantwortung, genau wie für die leidvollen Gefühle. Sie sind unsere „Signal- und Orientierungsgeber“ und führen uns zu unseren Entscheidungen.

„Füttern, füttern, füttern. Auch für Therapeuten eine große Herausforderung.“
Wenn mit Füttern ein „Geben“ gemeint ist, teilen wir die Auffassung nicht. Wir geben nicht, nur weil andere gegeben bekommen wollen. Wir geben, wenn wir geben möchten, weil es uns eine Freude ist oder uns sinnvoll erscheint.

Sooo – diese Gedanken können kontroverse Diskussionen auslösen. Wie gesagt – unsere Sichtweise und die ist weder richtig noch falsch, sondern sie dient uns im Zusammenleben und -arbeiten mit Menschen, die von anderen als narzisstisch bezeichnet werden. Wir sind offen für weiteren Austausch.

Ein letzter „Gedanken-Blitzer“ noch: Irgendwann habe ich (Olaf) mal chronologisch alle Werke von Herman Hesse gelesen, manche zweimal. Der Roman „Narziß und Goldmund“ gehörte zu jenen. Bereits damals habe ich die Figur des Narzissten nicht als etwas Bedrohliches oder Selbstsüchtiges wahrgenommen. Bei der Sammlung von Gedanken zu diesem Coachingbrief habe ich letzte Woche nochmal nachgeblättert und gesucht… und die Stelle gefunden, aus der ich dieses andere Bild vom Narzissten mitgenommen habe.

Der Romanfigur Narziß ist es erst auf dem Totenbett möglich, Goldmund seine Anerkennung und Liebe einzugestehen. Obwohl er sie schon lange empfindet. Erst in der Todesstunde gelingt es ihm, in Gegenwart eines anderen Menschen (seines besten Freundes Goldmund) Gefühle zuzulassen und auszusprechen. Goldmund antwortet darauf:

„Auch ich habe dich immer liebgehabt, Narziß, die Hälfte meines Lebens ist ein Werben um dich gewesen. Ich wusste, dass auch du mich gern hattest, aber nie hätte ich gehofft, dass du es mir einmal sagen könntest, du stolzer Mensch.“ (Herrmann Hesse in Narziß und Goldmund (Goldmund zu Narziß, S. 262))

Die Tragik, die wir auch im Wesen und im Dasein der Menschen sehen, die von anderen als Narzissten bezeichnet werden, hat etwas Aussöhnendes für uns.

Und nun zu der spannenden Eingangsfrage: Braucht es im Umgang mit Menschen, die als Narzissten bezeichnet werden, Schlagfertigkeit?

Immer mal wieder hören wir in unseren Seminaren den Wunsch nach Schlagfertigkeit – mit einer Hoffnung nach einem klugen, knackigen Satz, der den anderen „in die Schranken weist“ und einer „Erlösung“ gleich kommt.  Mit dem man Grenzen setzen kann – vor allem  unliebsamen Menschen. Doch aus unserer Sicht führt dieser Weg selten zu echter Entlastung.

Schlagfertigkeit arbeitet mit Konter, GFK mit Kontakt. Schlagfertigkeit versucht, Macht zurückzugewinnen. GFK fragt: „Was passiert gerade in mir – und was brauche ich, um in meiner Würde zu bleiben?“ Gerade im Umgang mit Menschen, die sehr stark um Anerkennung ringen oder wenig wahrnehmen, was im Gegenüber vorgeht, ist diese innere Orientierung zentral.

Die Frage lautet daher nicht: Wie kontere ich?
Sondern: Wie bleibe ich mir treu, klar und in Verbindung mit meinen Grenzen?

Das kann so aussehen:

Selbstklärung als Stilleprozess: „Das ärgert mich – ich brauche Respekt und Aufrichtigkeit. Das bekomme ich hier scheinbar nicht in der Form, wie ich es mir vorstelle. “

Stopp-Kommunikation: „Ich möchte das Gespräch erst fortsetzen, wenn wir beide zuhören können.“

Wertschätzende Distanz: Empathie für das unerfüllte Bedürfnis des Gegenübers ohne mich selbst zu vergessen.

Konsequenz ohne Angriff: „Ich gehe jetzt raus, um für mich zu sorgen.“

Gewaltfreie Kommunikation bedeutet, dass ich weder in Angriff noch in Ohnmacht falle, sondern eine Haltung kultiviere, die auf Bewusstheit, Klarheit und Respekt basiert. Im Kontakt mit „narzisstischen“ Mustern kann das eine stille, aber sehr kraftvolle Form von Stärke sein.

So gesehen: Nein – Schlagfertigkeit braucht es nicht.
Was es braucht, ist Selbstkontakt, klare Grenzen und eine Kommunikation, die Würde schützt – meine und die des anderen.

Wochenaufgabe: Prüfen Sie doch diese Woche einmal unsere zu Beginn gestellten Fragen:

Inwiefern gelingt die eigene Bedürfniserfüllung besser, wenn wir Narzissmus als Persönlichkeitsstörung und bestimmte Menschen als Narzissten sehen? Was sind mit dieser Sichtweise unsere Vorteile?

Inwiefern gelingt die eigene Bedürfniserfüllung besser, wenn wir im Kontakt mit den Menschen, die von anderen als narzisstisch bewertet und verurteilt werden, einfach achtsam mit unseren Gefühlen sind und emotionale Hinweise aus unserem Inneren nutzen, um gut auf unsere Bedürfnisse zu achten und sie im Rahmen unserer Eigenverantwortlichkeit für unser eigenes Wohlergehen wirksam zu schützen?

Aktuelles
Falls Sie in den letzten Coaching-Briefen noch nicht darauf aufmerksam geworden sind und auch Freude an dem Gedanken haben, zu einem kleinen Glücksmoment bei Menschen beizutragen, können Sie hier noch unser Geschenk abrufen: www.kleine-glücks-momente.de

Wenn auch Sie mehr wohltuende Töne und Klänge in Ihr Leben holen wollen, so machen wir Sie auf folgende Veranstaltung aufmerksam: Gewaltfreie Kommunikation in Verbindung mit Klang und Gesang. Die ersten Menschen stehen schon auf der Teilnehmenden-Liste. Zögern Sie nicht – es wird ein ganz besonderes Seminarerlebnis. (Und noch ein Hinweis für alle, die denken, dass Sie dann auch mitsingen müssen – nein. Man kann auch nur zuhören oder innerlich mitsummen. Jeder der will, kann beim Singen dabei sein und es gibt keinerlei „Müssen“.)

Online-Trainings 2025
12.05.2025  „Verbale Raumpfleger*Innen gesucht“ Beginn der 3-teiligen Onlinereihe
06.11.2025  Trainer(Innen)-Ausbildung (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)

Präsenz-Seminare 2025
18.02.2025  „Gewaltfrei leben“ – Schneeschuhwanderung zur Hohganthütte (5 Tage)
14.03.2025  Auszeit für Unternehmer-Paare – Ziele-Update im Frühjahr (1 Tag)
23.03.2025  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Baltrum (5 Tage)
13.06.2025  Auszeit für Unternehmer-Paare – Halbzeit! Zwischenbilanz im Sommer (2 Tage)
04.07.2025  „Wandeltage unendlich“ – Jahres-Treffen der Vorjahres-Gruppen (3 Tage)
29.08.2025  Start der „Wandeltage 2025“ – GFK-Jahresgruppe (6 Module)
12.09.2025  Auszeit für Unternehmer-Paare – Ziele-Update im Herbst (1 Tag)
23.09.2025  Gewaltfreie Kommunikation in Verbindung mit Musik und Gesang (5 Tage)
07.10.2025  Systemisches Konsensieren – Entscheidungsfindung in Gruppen (3 Tage)
12.10.2025  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Baltrum (5 Tage)
19.10.2025  Führungskräftetraining auf Basis GfK auf Baltrum (5 Tage)
12.12.2025  Auszeit für Unternehmer-Paare – Jahresplanung 2026 (2 Tage)
09.01.2026  Start in das neue Jahr 2025 mit Gewaltfreier Kommunikation in Hünfeld (3 Tage)
17.02.2026  Start der Trainer*Innen-Ausbildung (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)

Weitere Infos zu allen Terminen in unserer Übersicht auf der Website

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Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
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