606/2023 Ratlos in Heidelberg

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

unsere „Kleine Reihe zu vier Schritten“ hat ein paar Rückmeldungen ergeben und auch eine konkrete Leserinnen-Nachfrage. Die Antwort darauf ist bereits verfasst und erscheint in den nächsten Tagen.

Heute beschäftigt mich (Olaf) etwas ganz anderes, brandaktuelles. Mehr dazu im Beispiel und in der Information.

Herzliche Grüße, diese Woche aus Jena und Heidelberg
Anja Palitza & Olaf Hartke

Thema: Ratlos in Heidelberg

Zitat: „Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer.“ (Sprichwort)

Beispiel: Der Schüler bin in diesem Fall ich (Olaf), der Lehrer ist das Leben. Oder die Stadt Heidelberg? Der Reihe nach…

Vor wenigen Tagen gab ich mit Anja ein Training und in einer Kleingruppen-Aufgabe ging es um das Thema „Die Bandbreite der Gefühls-Wörter entdecken; Gefühls-Intensitäten erforschen“.

Eine Frau sprach darüber, wie sehr sie das Gefühl „Ratlosigkeit“ plagt und beschrieb genau, wie sie es empfindet. Ich hatte den Eindruck, dass sie wirklich darunter leidet. Sie schloss ihre Mitteilung mit einer Frage an uns ab: „Das kennt Ihr doch auch, oder?“

Aus den Augenwinkeln erkenne ich, dass Anja nickt und ich nicke mit. Gleichzeitig denke ich: „Olaf, stimmt das eigentlich wirklich? Ja, du kennst es, manchmal ratlos zu sein. Jedoch – nein, du leidest nicht darunter. Du nimmst es wahr, es fühlt sich unangenehm an, doch dann fällt dir irgendetwas ein, du gehst ins Planen und Handeln über und die flüchtige Ratlosigkeit ist schon wieder futsch, bevor du gelitten hast. Du kennst keine intensive Ratlosigkeit, unter der Du leidest.“

Der Schüler ist bereit: „Wie sich das wohl für mich anfühlen würde?“, frage ich mich.

Nur wenige Tage später: Mein Sohn hat sich im vergangenen Monat entschieden, in Heidelberg zu studieren und sucht gerade ein WG-Zimmer oder vorab zum Studienbeginn eine dreimonatige Zwischenlösung mit einem Privatzimmer oder einem Single Appartement. Bisherige Erfahrung nach über 100 „Bewerbungen“: Er hat es mit einem Parade-Beispiel von Anbietermarkt zu tun. Wenige Anbieter im Vergleich zur großen Menge von Nachfragern. Drei Immobilienmakler haben reagiert, sonst bislang niemand.

Der Sohn bleibt zuversichtlich und optimistisch – irgendwas wird passieren und das wird schon klappen, ist seine Überzeugung. Seine Mutter ist da deutlich skeptischer; ahnt, es könnte schwierig werden. Der Vater – also ich – beschließt zu demonstrieren, wie Zimmersuche in einer gefragten Studenten-Stadt und gleichzeitig Touristen-Hochburg funktioniert, obwohl er – also ich – überhaupt keine Ahnung davon hat, wie es hier am Wohnungs-Markt aussieht.

Mit meinem ureigensten Optimismus reise ich mit meinem Sohn hier in Heidelberg an und wir arbeiten meine ergebnisorientierte „Zimmer-in-Heidelberg-finden“-To-Do-Liste ab.

Der Lehrer erscheint: Das erzielte Ergebnis des Liste-Abarbeitens: Nichts. Inzwischen sind mir auch die Ideen ausgegangen, welche Stelle wir noch ansteuern könnten; wen ich noch ansprechen könnte. Ich erhalte nach nur zwei Tagen einen lebendigen Eindruck davon, wie sich tiefe Ratlosigkeit anfühlt und wie sich ein „Stunde um Stunde wachsendes daran leiden“ entwickelt, denn ich habe keine weiteren Ideen.

Das Leid wächst mit jeder Wiederholung der immer gleichlautenden Frage des Sohnes (der mit dem unerschütterlichen Glauben, dass wir bekommen, was wir wollen):

„Und was machen wir als nächstes, Papa?“

 Und der Papa, der seinem Sohn diese Überzeugung anscheinend vererbt hat, antwortet:

„Ich habe da noch eine Idee. Du kannst schlafen gehen, ich schreibe da mal was… Kannst Du morgen beim Frühstück in Deinen Mails lesen…“

Information: Wir nicken häufig, wenn andere Menschen uns fragen, ob wir das Gefühl, welches sie gerade haben, auch kennen. Doch kennen wir es wirklich?

Kennen wir es so, wie unser Gegenüber es erlebt? Wie unser Gegenüber es erlebt, fasst dieser Mensch für uns in Worten zusammen. Doch können Worte Gefühle transportieren?

„Hallo…die Spiegelneuronen.“; höre ich es förmlich aus der Leserschaft flüstern und raunen. Ja, die Spiegelneuronen im Limbischen System (des Gehirnteils, der für unser Gefühlsleben zuständig ist) reagieren auf unser Gegenüber und lassen uns mitspüren, was unser Gegenüber fühlt. Joachim Bauer hat das in seinem Buch „Warum ich fühle, was Du fühlst“, bereits vor vielen Jahren ausführlich erläutert.

Doch liefert uns die Aktivität der Spiegelneuronen tatsächlich ein identisches „Eins-zu-eins-Kopie-Gefühl“ des Gefühls unseres Gegenübers? Oder nur einen Eindruck davon? Können wir exakt mitfühlen, was andere fühlen – andere, die in der Situation stecken und sie real erleben oder erlebt haben – während wir nur davon hören und darüber unsere Spiegelneuronen aktiviert werden – ohne sie selbst zu erleben?

Ich bezweifle es inzwischen. Heute würde ich es so formulieren: Ich glaube, über die Worte unseres Gegenübers bekommen wir eine Idee von dessen Gefühlen; durch die Spiegelneuronen allenfalls einen recht lebendigen Eindruck davon – doch wir können niemals wissen, wie es sich für unser Gegenüber exakt anfühlt.    

Ich erkenne gerade nochmals, wie naiv es wäre, zu denken, zu wissen wie es anderen Menschen geht. Ich denke, wir können es maximal erahnen und ich nehme mir gerade vor, niemals wieder zu sagen: „Ja, ich weiß, wie es Dir gerade geht. Das kenne ich auch.“

Ich werde demütig stehenbleiben bei: „Ja, ich glaube, ich habe eine ungefähre Idee davon, wie Du Dich gerade fühlst.“

Wochenaufgabe: Prüfen Sie einmal genau: In den Situationen, in denen Sie denken, dass Sie wissen, wie es Ihrem Gegenüber gerade geht – woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es so ist? Könnte es nicht auch lediglich „so ähnlich“ sein? Kann man dann noch solche Gedanken denken oder aussprechen wie: „Kopf hoch, so schlimm ist es doch gar nicht!“ – geht das wirklich noch?

Aktuelles
Seminare 2023/2024

15.10.2023  Ein Führungskräftetraining auf Basis GfK auf Baltrum (5 Tage)
23.10.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
09.11.2023  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
08.12.2023  Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
10.12.2023  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
15.12.2023  GFK-Übungsseminar-Seminar Kunze-Hof am Jadebusen (2 Tage)
05.01.2024  GFK-Übungsseminar-Seminar in Mitteldeutschland (2 1/2 Tage)
30.01.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
05.03.2024  Systemisch Konsensieren im Knaubenhof (3 Tage)
10.03.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
26.03.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Präsenz (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
13.04.2024  GfK-Einführungsseminar Online (2 Tage)
20.04.2024  Gewaltfreie Kommunikation und Yoga in Portugal (7 Tage)
21.06.2024  Wandeltage ein Jahreskurs in GfK Präsenz in 6 verschiedenen Klöstern (18 Tage)
18.09.2024  Paarseminar im Knaubenhof (5 Tage)
29.09.2024  Ein Führungskräftetraining auf Basis GfK am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
06.10.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
13.10.2024  Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Baltrum (5 Tage)
26.10.2024  GfK-Einführungsseminar Online (2 Tage)
07.11.2024  Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
04.02.2025  Trainer(Innen)-Ausbildung Präsenz (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)

Weiteres finden Sie auf unserer Website:
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