Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
„Zeit für das Wesentliche“, so begann unser letzter Coachingbrief 591, in Kürze auch nachzulesen auf unserem Blog: www.gefaltfrei.blog
Verknüpfen wollen wir in dieser Ausgabe das vorangegangene Thema mit der Gewaltfreien Kommunikation. Eine kurze Zusammenfassung zum Thema finden sie unter dem Beispiel.
Herzliche Grüße aus Jena und Bielefeld
Anja Palitza & Olaf Hartke
Thema: Zeit für das Wesentliche – Teil 2
Zitat: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.“
(Seneca, römischer Philosoph, 1-65 nach Christus)
Beispiel aus Teil 1: Im Januar hatte einer meiner (Olaf) langjährigsten Freunde Geburtstag und ich habe am späten Abend meine Glückwünsche auf seinen Anrufbeantworter gesprochen. Am nächsten Tag wollte ich nochmal persönlich nachträglich gratulieren und habe ebenfalls lediglich den Anrufbeantworter erreicht. In den folgenden Tagen rief er wiederum mehrmals zurück und erreichte lediglich meinen Anrufbeantworter. Trotz täglich mindestens eines Versuches von einem von uns beiden, ergab sich erst am neunten Tag ein gemeinsames Zeitfenster und wir hatten ein kurzes persönliches Gespräch.
Wie schon mehrfach vorher sprach mein Freund auch an, dass wir uns bereits seit längerem deutlich seltener sehen, als er dies gerne hätte. Wirklich nachdenklich machte er mich damit:
„Olaf, leichter würde es mir fallen, das, was ich jetzt sage, zu einer Frau zu sagen. Aber ich glaube so verstehst Du es besser: Ich vermisse Dich!“
Zusammenfassung aus Teil 1: Bodo Schäfer, heute Bestsellerautor und Speaker, empfahl die Ausgewogenheit der fünf Lebensbereiche nicht außer Acht zu lassen. Er definierte dazu die Bereiche „Beruf(-ung), Beziehungen, Finanzen, Gesundheit, Persönlichkeit“.
Bildlich gesehen – ein Rad mit fünf Speichen, das gerade einen Berg hinabrollt. Sind alle Speichen gleich stark, rollt es rund und ist in sich stabil. Auch mit einer wackeligen oder sogar gebrochenen Speiche rollt es vorübergehend ganz gut weiter, doch die innere Stabilität hat sich verringert.
Gleicht man dies nicht wieder aus, wird das Rad anfälliger für weitere Schäden und sind erst zwei oder drei Speichen gebrochen oder angeknackst, dann wird es vielleicht ganz zusammenbrechen.
Als moderne Menschen sind wir oft in verschiedensten Projekten aktiv und in jedem Lebensbereich sind uns Dinge wichtig. Jeden Tag wägen wir ab, entscheiden, priorisieren und merken dann häufig erst im weiteren Verlauf, wie sich unsere Entscheidungen auf die anderen Bereiche unseres Lebens auswirken. Manchmal sind wir sogar so fokussiert auf einen bestimmten Bereich, dass wir einen anderen Bereich gänzlich ausblenden und uns dadurch mittel- bis langfristig schaden.
Information: Das Wissen um die verschiedenen Lebensbereiche, die Berücksichtigung dieser tragenden Lebenssäulen oder Speichen ist für uns beide bedeutsam und wenn wir es anreichern mit Ideen aus der Gewaltfreien Kommunikation, so ergibt sich für uns eine besondere Stimmigkeit.
Werfen wir dazu einmal einen Blick auf die Bedürfnis-Liste des Modells:
Voran die „existenziellen Bedürfnisse“:
Luft, Wasser, Nahrung, Bewegung, Schutz, Ruhe, Unterkunft
Die Bedürfnisgruppe „Verbundenheit“:
Spiritualität, Schönheit, Harmonie, Inspiration, Ordnung, Frieden, Gemeinschaft
Die umfangreiche Gruppe der „Bedürfnisse des Miteinanders“:
Anerkennung, Akzeptanz, Aufmerksamkeit, Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, Empathie, Geborgenheit, Respekt, Rücksichtnahme, Sicherheit, Unterstützung, Verständnis, Vertrauen, Wertschätzung, Zugehörigkeit
Die Bedürfnisse rund um das Bedürfnis „Autonomie“:
Träume leben, Werte wählen, Planentwicklung, Zielverfolgung
Die Bedürfnisgruppe „Integrität“:
Authentizität, Kreativität, Sinn, Entwicklung, Selbstwert, Effektivität, Lernen, Wachsen, Klarheit, Struktur
Das Bedürfnis nach „Ausdruck“:
Feiern (Erfolge, Erfüllung) und Bedauern (Misserfolge, Abschiede)
Und last, but not least – die Bedürfnisse rund um die „Leichtigkeit“
Spiel, Freude, Lachen
Hinter jeder Entscheidung, die Menschen bewusst oder auch unbewusst treffen, stehen Bedürfnisse. Unerfüllte Bedürfnisse motivieren den Menschen zum Handeln, denn man möchte unangenehme Gefühle wieder loswerden. Sich erfüllende Bedürfnisse motivieren ebenfalls zum Handeln, denn wir wollen die begleitenden angenehmen Gefühle gern weiter spüren. Wir entscheiden also beständig über kleine und große Dinge in unserem Leben und wollen, dass es uns „gut geht“. Das sich so viele Bedürfnisse wie möglich erfüllen. Wie Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse, bereits sagte: „Der Mensch strebt danach, Schmerz zu vermeiden und Freude zu gewinnen.“
Selbst dann, wenn es so scheint, als könne man sich nicht entscheiden, als stünde eine Entscheidung noch aus, so ist auch das Prüfen, Überlegen, Abwägen und das „Nicht-entscheiden“ bereits eine Entscheidung – und zwar die Entscheidung, mit den noch zu prüfenden Optionen noch nicht zu beginnen, sondern erstmal weiterzumachen wie bislang. Man ist dann noch im Vertrauen, dass die zukünftigen Optionen tatsächlich mehr Bedürfnisse erfüllen werden, als der gegenwärtige Zustand.
Aufgrund der Fülle von Entscheidungen, die täglich zu treffen sind, ergibt es nicht immer Sinn, bei allen Entscheidungen ganz bewusst in sich hinein zu spüren, was wohl die Beweggründe (Bedürfnisse) zum eigenen Handeln sind. Die meisten täglichen Entscheidungen treffen wir automatisiert und unbewusst. Das spart Zeit und Energie.
Auch wenn etwas gut läuft und uns reichhaltige Bedürfnis-Erfüllungen beschert, neigen wir dazu, diese Aktivitäten fortzusetzen und wenn es ein bestimmter Lebensbereich ist, wie z.B. der Job, dann geben wir eine ganze Menge Zeit und Energie hinein – weil wir uns dann ja mit dem Tun und den Ergebnissen so wohl fühlen. Selbst dann, wenn das Tun anstrengend ist und Erfolge ausbleiben, kann es sein, dass wir darauf unbewusst fokussiert bleiben, weil es uns ein Bedürfnis nach Sinn erfüllt und wir an Erfüllung in der Zukunft glauben.
Hilfreich können dann Menschen im persönlichen Umfeld sein, die uns liebevoll „anstubsen“ und unser Handeln, bzw. „Nicht-Handeln“ auf einer anderen Ebene, mal freundlich und konstruktiv in Frage stellen. Wie Olafs Freund in unserem Beispiel. Später sind es vielleicht nicht mehr die Freunde, Freundinnen – irgendwann sind es andere Symptome, die sich zeigen werden, wenn die Lebensbereiche stark aus ihrem Gleichgewicht raten, bzw. die Speichen des Rades Stabilität verlieren.
In der Regel sind Gefühle, auch die anstrengenden, flüchtig und verändern sich rasch. Wenn sie es schaffen, von uns bemerkt zu werden, dann kümmern wir uns ja um die zugrundeliegenden, zu kurz gekommenen Bedürfnisse und sie haben ihre Aufgabe erfüllt und können verschwinden. Ignorieren wir sie jedoch oder betäuben sie mit Ablenkungen, dann werden sie präsenter und intensiver. Sie verfestigen sich zu einer Grundstimmung, die uns auch länger begleiten kann.
Auch unsere „anstrengenden Gefühle“, wie z.B. andauernde Unruhe, Unsicherheit, Frust, Ratlosigkeit, Ärger, Anspannung und Stress, wollen uns dienen und uns aufmerksam machen auf nachhaltig unerfüllte Bedürfnisse.
Spätestens dann wird das bewusste und achtsame Erspüren von Bedürfnissen für uns wichtig: Wenn Entscheidungen bedeutsam sind, wenn die Lebensbereiche merklich im Ungleichgewicht sind oder uns Entscheidungen schwerfallen und wir sie aufschieben.
Und trotz eines Innehaltens und bewussten Nachspürens von Bedürfnissen ist es nicht einfach, dann immer gleich das Wesentliche für sich zu finden und umsetzen zu können. Das geht auch uns als Trainierenden so. Auch wir stellen manchmal erst im Nachhinein fest, dass wir sehr fokussiert auf einen bestimmten Lebensbereich ausgerichtet sind. Auch wir kennen es, ganz in etwas aufzugehen und anderes völlig in den Hintergrund treten zu lassen. Manchmal sind es auch bei uns wie Gewitterwolken heraufziehende Grundstimmungen von Unruhe oder Frustration – wenn die Freunde es nicht vorher bemerken.
Aber egal, ob nahe Freunde, Freundinnen oder stabile „dunkle“ Stimmungen – dann will ein Bedürfnis „gesehen werden“ und dann bedarf es der Zeit und der Aufmerksamkeit, genauer hinzuschauen.
Und dann wird noch etwas wichtig: Statt uns dafür zu verurteilen, dass wir wieder etwas nicht genügend bedacht haben, können wir dankbar für die (Gefühls-)Wecker in uns sein – wenn es nicht die Freunde waren, die uns aufmerksam gemacht haben J.
Wenn es uns also gelingt, ohne Hadern innezuhalten, den Gefühlen nachzuspüren und sie mit den im Moment hungrigen Bedürfnissen in Verbindung zu bringen, sind dies die kostbaren Momente, wo man wieder etwas über sich und die Komplexität des modernen Lebens hinzulernen kann.
Zum „Sofort-Üben“: Haben Sie noch Ihre Notizen von der letzten „Sofort-Üben-Aufgabe“? Wenn nicht, dann schreiben Sie sich noch einmal kurz und spontan auf – ohne groß zu überlegen: Welcher Lebensbereich kommt gerade zu kurz und was ist für mich gerade das Wesentliche in diesem Bereich?
Tun Sie dies jetzt – es dauert nur eine Minute. Und legen Sie den Zettel dann weg.
(Olafs „Sofort-Üben-Beispiel“ von letzter Woche finden Sie nochmal am Ende des Coachingbriefes.)
Wochenaufgabe: Sofort-Üben-Aufgabe gemacht? Zettel geschrieben? Nein? Erst schreiben, dann weiterlesen! J
Diese Wochenaufgabe bedarf etwas mehr Zeit. Suchen Sie sich dafür ein ungestörtes Zeitfenster und überlegen Sie sich zu den fünf Lebensbereichen (Beruf, Beziehungen, Finanzen, Gesundheit, Persönlichkeit): Was ist für mich in jedem Lebensbereich das Wesentliche? Welche Bedürfnisse sind mir darin besonders wichtig?
Nehmen Sie sich im Anschluss den Zettel aus der Sofort-Üben-Aufgabe und vergleichen Sie: Sind die spontan aufgeschriebenen Ideen auch in den Lebensbereichen enthalten, oder wollen Sie jetzt gerne noch etwas „Wesentliches“ ergänzen?
Welche Strategien können Sie sich bereits jetzt vorstellen, um die Lebensbereiche wieder ins Gleichgewicht zu bringen? Was lässt „schwache Speichen“ wieder erstarken?
Aktuelles
Jahresgruppe
Seien Sie mit dabei: Es ist hilfreich Gewaltfreie Kommunikation über einen längeren Zeitraum konsequent zu verfolgen und so die Kommunikation-Fähigkeiten auszubauen und so effektiver in den Alltag integrieren zu können. Die Wandeltage-Jahresgruppe beginnt im Mai und noch sind ein paar Plätze frei.
https://www.erfolgsschritte.de/seminare-trainings/m10_jahresausbildung_gfk.php
Gratis-Webinar
Tragfähige Team-Entscheidungen treffen
Möchten Sie eine Methodik für Gruppen-Entscheidungen kennenlernen, die zu gemeinsamen Entscheidungen mit großer Tragfähigkeit führt? Wir stellen Ihnen das Modell „Systemisches Konsensieren (SK)“ an drei verschiedenen Praxisbeispielen vor.
Gemeinsames Webinar mit SK-Moderator Alexio Schulze-Castro und uns
Termine und Infos:
https://www.edudip.market/w/312740
(Mittwoch, 10.05.2023 um 20.00 Uhr und weitere Termine)
Neue Podcast-Aufnahme
zum Thema „Systemisches Konsensieren“
von und mit Peter Schmid, Alexio Schulze-Castro und uns
GFK-Tage in Thüringen
wird es auch 2023 geben. Die Anmeldung ist ab sofort möglich unter:
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Seminare 2023
06.05.2023 Wandeltage 2023 – Jahresgruppe in Präsenz –(6 Module à 3 Tage))
22.05.2023 Bildungsurlaub „Einführung GfK“ in Dießen am Ammersee (5 Tage)
16.06.2023 Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
28.06.2023 Auszeit für Paare im Knaubenhof im Altmühltal (5 Tage)
25.08.2023 „Wandeltage unendlich“ – Fortsetzung des Jahreskurses im Kloster Hünfeld (3 Tage, nur für ehemalige Teilnehmende der bisherigen Jahresgruppen)
15.09.2023 Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (1 Tag mit Vorabendanreise)
26.09.2023 Gruppenentscheidungen treffen mit Systemischen Konsensieren (3 Tage)
06.10.2023 Wandeltage 2023 – Jahresgruppe Online –(6 Module à 3 Tage)
15.10.2023 Ein Führungskräftetraining auf Basis GfK auf Baltrum (5 Tage)
23.10.2023 Bildungsurlaub „Einführung GfK“ auf Spiekeroog (5 Tage)
09.11.2023 Trainer(Innen)-Ausbildung Online (4 Module, 20 Tage, Trainerteam)
08.12.2023 Auszeit im Kloster für Unternehmer-Paare (2 Tage mit Vorabendanreise und Film)
10.12.2023 Bildungsurlaub „Einführung GfK“ am Jadebusen im Kunze-Hof (5 Tage)
15.12.2023 NEU GFK-Übungsseminar-Seminar Kunze-Hof am Jadebusen (2 Tage)
Weiteres finden Sie auf unserer Website:
https://erfolgsschritte.de/seminare-trainings/termine.php
Es sind noch nicht alle Informationen zu den Seminaren aktualisiert; fragen Sie direkt bei uns nach, wenn Sie konkrete Fragen dazu haben.
Herausgeber:
Hartke Unternehmensentwicklung GmbH
Dunlopstraße 9, 33689 Bielefeld
Fon: 05205 / 7290525 und Fax: 05205 / 7290527
http://www.ab-ins-kloster.de
© Copyright Anja Palitza & Olaf Hartke
Unsere persönlichen Gedanken zum „Sofort-Üben“:
Für möchte achtsamer sein den Lebens-Bereichen „Beziehungen“ und „Gesundheit“.
Ich habe mir vorgenommen, in den kommenden Wochen wieder mehr meine „alten“ Freundschaften zu pflegen. Selbst aktiv zu werden, diese Menschen zu kontaktieren und mich zu verabreden. Den Bereich Beziehungen wieder mehr zu fokussieren und dies gleichzeitig mit Entspannung, Ruhe und Abschalten zu verbinden, das dient auch meiner Gesundheit.
Strategien werden sein, mich wieder an der „Freunde-Wanderung“ zu beteiligen, öfter mal mit einem Freund meine Guzzis auszuführen (dabei weniger Kilometer, mehr Gesprächszeit), Sauna-Besuche zu vereinbaren, Treffen zum gemeinsamen 70er-Schallplatten anhören, Guinness in Irish-Pubs zu trinken… Das gehört gerade zu „meinem Wesentlichen“.